Da geht noch was!

Mit gut sechzig Jahren noch Schrittmacher für Junge sein? Das funktioniert nicht nur im Sport. Manche von uns sind einfach zu jung für den Ruhestand. Man fühlt sich physisch und geistig noch topfit. Da geht doch noch was! Den Kopf voller Ideen und Projekte. Und endlich die langgehegten und immer wieder aufgeschobenen Träume verwirklichen. Man zählt zwar zu den Älteren. Doch wer schon bringt derart breitgefächerte Kenntnisse, Erfahrungen und souveräne Routine mit wie die Oldies? Wirtschaftskreise und fortschrittliche „Think Tanks“ haben das Potenzial der sogenannt „jungen Alten“ erkannt. Dem ist aber lange nicht überall so. Vielerorts gelten die reiferen Jahrgänge schlichtweg als entbehrlich. Pantoffeln anziehen, Knabberzeug bereitlegen und fernsehen? Fehlanzeige. In unserem Nachbarland Deutschland ist ein Aufstand im Gange gegen diese Altersdiskriminierung.

Zu jung für alt. Was tun, wenn man auf dem Höhepunkt der Karriere von Staat und Chefs aus dem Berufsleben reglementarisch und aufgrund von Paragraphen herauskomplimentiert wird? Gut, einige sind amtsmüde, sie sind bereits mit fünfzig Jahren angeschlagen, ausgebufft und ausgebrannt. Was aber ist mit den anderen? Warum werden diese ebenfalls in den Ruhestand zwangsversetzt? Der langjährige „Spiegel“-Redakteur Dieter Bednarz hat für sein neues Buch jede Menge Gleichgesinnte getroffen. Sie alle wollen sich vom Alter nicht ausbremsen lassen. Dieter Bednarz hat das selbst erlebt. Er ermutigt seine Alters- und Schicksalsgenossen zu einem Aufstand gegen die grassierende Altersdiskriminierung. „Da geht noch was“, davon ist der Autor überzeugt. In seinem Buch stellt er entscheidende Fragen: „Warum machen wir uns nicht selbstständig oder werden sogar Unternehmer? Erfahrung und Kontakte haben wir genug!“ Endlich wäre ja jetzt die Chance gekommen, die Energien und Fähigkeiten nicht mehr in den Dienst eines Arbeitgebers zu stellen, sondern selbst darüber zu bestimmen.

Lange gehegte Träume leben.  Offen und ehrlich müsste man an dieser Stelle auch über die Krisen schreiben, die Frauen und Männer durchstehen, wenn die Karriere an ihr Ende kommt, und wenn die erste Rentenhochrechnung die Ängste vor der Altersarmut schürt. Soll das nun das Ende sein? Nein, es ist die Initialzündung dafür, langgehegte Träume und Lebensziele zu konkretisieren. Allerdings sollte dies nach der kritischen Sichtung der noch vorhandenen Ressourcen geschehen. Dann muss es darum gehen, sein Leben neu zu vermessen und berufliche Alternativen zu suchen. Das Schöne am Alter ist ja gerade, dass man nicht mehr um jeden Preis das grosse Rad drehen muss. Jede und jeder darf selber entscheiden, was man sich zumuten will. Und ja, manchmal ist das kleine Rad ja letztlich sogar das viel grössere – weil es uns Erfüllung schenkt.

Seniorenteller, Seniorenticket und Seniorenzusammenkünfte? Vielleicht später. Wenn überhaupt. Warum nicht gemeinsam mit Jüngeren durch ein erfülltes Leben gehen? Beide Seiten können voneinander irgendwas abschauen. Die Älteren erfahren, was Jüngere bewegt. Und die Jüngeren erhalten von den Routiniers wertvolles Knowhow. Im Herzen jung bleiben, das kann jede und jeder.

Und jetzt. Das Drehbuch für das neue Stück. Das Manuskript für das neue Buchprojekt. Die Reise in den Norden. Das stimmungsvolle Weihnachtskonzert mit dem Lehrerchor. Als Gastdozent an der Hochschule Wallis wissenschaftliches Arbeiten vermitteln. Die Einrichtung des neuen Hauses… Aber zuerst gehe ich jetzt joggen. Am Samstag ist der Stadtlauf in Sitten.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig. Buch-Cover: www.dieterbednarz.de