Einige Täler und Dörfer sind in diesen Tagen von der Umwelt abgeschnitten. Niemand ist gern von der Umwelt abgeschnitten. Einige Schriftsteller allerdings benutzen diese Szenerie erfolgreich für ihre Geschichten. Abgeschnitten von der Umwelt, spielt sich so mancher Thriller oder Krimi ab. Wenn der Kontakt zur Aussenwelt abbricht, sind die Menschen auf sich selbst gestellt. Es gibt keine Ausweichmöglichkeit. Häufig zeigt sich erst in der Abgeschiedenheit der wahre Charakter der Menschen. Pech gehabt, wenn sich in der Abgeschiedenheit Kriminelle und Mörder unter die Eingeschlossenen mischen. Das war früher ein beliebtes Setting für die Krimis von Agatha Christie. Heute bedienen sich moderne Autoren wie Sebastian Fitzek ebenfalls der literarischen Technik des „geschlossenen Raums“.
Abgeschnitten von der Umwelt sind zehn Menschen im meistverkauften Kriminalroman aller Zeiten. Es handelt sich um den Roman „Und dann gabs keines mehr“ von Agatha Christie. In diesem Roman sterben nacheinander zehn Menschen, wie in dem Zählreim „Zehn kleine Negerlein“. Tatsächlich wurde in der ersten deutschsprachigen Ausgabe der Titel „Zehn kleine Negerlein“ verwendet, sie erschien 1944 im Scherz Verlag in Bern. Um rassistischen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, und auch aus Rücksicht auf die afroamerikanische Bevölkerung, erschien der Roman später dann unter dem Titel „Und dann gabs keines mehr“. Zehn Personen gelangen mit einem Boot auf eine einsame Insel. Nach dem ersten Todesfall denkt noch niemand an eine Mordserie. Als aber eine zweite Person stirbt, kommt Panik auf. Eine Suche ergibt, dass sich keine weitere Person auf der Insel befindet. Der Mörder muss sich also noch unter den verbliebenen acht Personen befinden. Weitere Personen werden ermordet, entsprechend dem Zählreim von den zehn kleinen Negerlein… Nach kurzer Zeit traut keiner mehr dem andern. Abgeschnitten von der Umwelt, wird die Zahl der Lebenden immer kleiner. Bis zum Ende des Romans ist kaum vorhersehbar, wer der Mörder ist.
Abgeschnitten von der Umwelt verschwinden 20 Menschen auch im aktuellen Roman des erfolgreichen deutschen Thriller-Autors Sebastian Fitzek mit dem Titel „Passagier 23“. Menschen befinden sich auf hoher See auf einem Kreuzfahrtschiff. Sie verschwinden spurlos während eines Urlaubs auf dem Kreuzfahrtschiff „Sultan of the Seas“. Auch der Polizeipsychologe Martin Schwartz hat auf diese Weise Frau und Sohn verloren. Martin Schwartz ist seither psychisch angeschlagen. Doch dann bekommt er den Anruf einer seltsamen alten Dame, die sich als Thriller-Autorin ausgibt: Er müsse sofort an Bord der „Sultan“ kommen, sie wisse, was seiner Familie zugestossen sei. Nie wieder wollte Martin Schwartz seinen Fuss auf ein Kreuzfahrtschiff setzen. Nie wieder wollte er abgeschnitten sein von der Umwelt… Doch dann taucht ein verschwundenes Mädchen wieder auf. Mit dem Teddy seines Sohnes im Arm…
Abgeschnitten von der Umwelt sind die Personen auch im aktuellen Psychothriller „Flugangst 7a“ von Sebastian Fitzek. Er erscheint in diesen Tagen. Im Thriller ereignet sich Schreckliches auf einem Nachtflug von Buenos Aires nach Berlin: Ein geisteskranker Passagier lebt seine Gewaltphantasien aus, manipuliert von einem ebenso wahnsinnigen Psychiater. Wird es zur Katastrophe kommen? Der Psychothriller spielt mit den Ängsten der Passagiere und mit deren Hilflosigkeit im eingeschlossenen Raum, abgeschnitten von der Umwelt.
Thriller und Krimis spielen mit der Szenerie des Eingeschlossenseins. Abgeschnitten von der Umwelt, kommen die menschlichen Urängste an die Oberfläche. Ob von Lawinen blockiert, vom Schneesturm eingeschlossen, auf einer einsamen Insel gestrandet, auf einem Schiff vom Wasser umspült oder eingeschlossen im Passagierraum eines Flugzeugs: Immer handelt es sich um einen „geschlossenen Raum“, um die literarische Technik des Eingeschlossenseins. In all diesen Szenerien zeigt der Mensch sein wahres Ich. In der Thriller-Literatur kommt dabei nicht selten eine Philosophie zum Tragen, wie wir sie vom englischen Staatstheoretiker und Philosophen Thomas Hobbes kennen: Homo homini lupus. Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen.
Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig