Dicke Luft macht unmoralisch

Die sommerlichen Hundstage mit Hitze, Smog, Ozon und Luftverschmutzung machen nicht nur unserer Gesundheit zu schaffen. Die „dicke Luft“ bewirkt auch ein unmoralisches Verhalten. Das haben amerikanische Forscher von der Columbia University herausgefunden. Je höher der Schadstoffgehalt in der sommerlichen Hitze, desto höher ist auch die Rate von Mord, Diebstahl, Einbruch, Vergewaltigung und Körperverletzung. Die Forscher haben den Zusammenhang zwischen Schadstoffgehalten in der Luft und der Kriminalitätsrate eindrücklich dokumentiert. Ihre sensationellen Ergebnisse basieren auf Statistiken von nicht weniger als 9360 amerikanischen Städten über einen Zeitraum von neun Jahren.

Dicke Luft macht unmoralisch. Warum aber bewirken Hitze, Smog und Ozon ein unmoralisches Verhalten? Die Forscher vermuten, dass die Luftverschmutzung die Angst schürt. Aus der Psychologie ist uns bekannt, dass Angst ein unethisches Verhalten fördert. Die Forscher überprüften die Ergebnisse mit Smogfotos, die sie zahlreichen Probanden zeigten. Die Versuchspersonen sollten ihre Gefühle beschreiben, zuerst beim Betrachten derselben Stadt an einem klaren und dann an einem smoggetrübten Tag.  Die Teilnehmer, die mit Smogfotos malträtiert wurden, zeigten durchwegs ein beklemmendes Gefühl von Angst.

Die Wetterlage entscheidet, ob eine Aktivität von Erfolg gekrönt ist oder ob sie scheitert. Dies gilt im Kleinen genauso wie im Grossen. Im Buch „Wie das Wetter Geschichte macht“ schildert der Historiker und Arzt Ronald G. Gerste, wie das Wetter die Weltgeschichte beeinflusst hat. Ein Beispiel? Für ihre Invasion in der Normandie am 6. Juni 1944 hatten die Alliierten genaue Vorstellungen. Das Meer durfte für die Landung der Schiffe nicht zu wild, der Wind nicht zu stark sein. Dazu durfte der Boden für die Infanteristen nicht aufgeweicht sein. Auch der Vollmond war wichtig, denn gute Sicht war Voraussetzung. Am 6. Juni 1944 zog zwischen zwei Tiefdruckgebieten ein Zwischenhoch auf, das alle diese Wetterbedingungen für ein paar Stunden erfüllte. Das kleine Zwischenhoch war kriegsentscheidend.

Auswirkungen extremer Hitzejahre. Das Klima ist verantwortlich für grosse Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit. So wird etwa das Ende der Maya-Hochkultur einer extremen Klimaveränderung zugeschrieben. Der Klimawandel beunruhigt in diesem Hitzesommer nahezu alle Regierungen. Immerhin gibt es aus der Literatur diesbezüglich auch Positives zu vermelden. Der Historiker und Arzt Ronald G. Gerste erinnert daran, dass die Erschliessung riesiger Gebiete wie Grönland erst durch die Klimaerwärmung möglich wurde. Und der Autor spendet uns Hitzegeplagten immerhin einen schwachen Trost: Bereits im europäischen Mittelalter soll es eine ähnliche Wärmeperiode gegeben haben. Und just in dieser mittelalterlichen Hitzeperiode seien in Mecklenburg, England und sogar in Südnorwegen die besten Weine produziert worden. Ein schwacher Trost in diesem Hitzesommer auch für unsere Weinbauern?

Text und Fotos: Kurt Schnidrig