Journalistisches Schreiben als Balanceakt

Fleissige und treue Leser der einzigen Oberwalliser Tageszeitung rieben sich in den letzten Tagen die Augen. Soll man den vermuteten Kurswechsel nun gut finden? Darüber zu entscheiden ist jedem Einzelnen überlassen. Was jedoch den einen oder anderen Leser umtreibt, das ist die Frage, ob man einer zweifellos verdienstvollen Oberwalliser Persönlichkeit, die als Kandidatin für den Bundesrat im Gespräch ist, auf diese Art und Weise einen Bärendienst erweist. Persönlich bin ich ein überzeugter Sachpolitiker. Gerne beurteile ich Sachthemen ohne die parteipolitische Brille, egal welche Farbtönung diese auch aufweist. Und vor allem sind mir fähige, kompetente und bürgernahe Politikerinnen und Politiker wichtig. Die Parteipolitik von links bis rechts berührt mich nicht. Als politisch neutraler Zeitungsleser ist mir zudem von Bedeutung, dass die „Journalistische Sorgfaltspflicht“ eingehalten wird.

„Verzettelt? Ein Urteil. Eine Berufung. Einige Zweifel“. Diese Headlines aus der Zeitung vom 10. Oktober offenbaren bereits eine stilistische Problematik. Es ist wichtig, dass die einmal gewählte Stilform auch durch den gesamten Text eingehalten wird. In der Causa Amherd sind Vorgeschichte, Urteil und Berufung als Bericht abgefasst. Dann aber folgen Spekulationen bezüglich einer Kandidatur. Was als Bericht beginnt, darf nicht als Kommentar enden. Ansonsten riskiert die Zeitung, dass das Eigene und Subjektive ebenfalls als das Allgemeingültige und Objektive verkauft wird. Bei allen journalistischen Darstellungsformen ist besonders auf die Trennung von Information (Nachricht, Bericht, Interview, Reportage) und Meinung (Kommentar, Glosse) zu achten.

Welche Folgen hat die journalistische Schreibe? Als Medienschaffender sind auch immer die Folgen eines Artikels zu bedenken. Um einer Information die nötige Objektivität zukommen zu lassen, muss sie als Meldung, Bericht oder Nachricht streng von jeglicher Meinungsäusserung getrennt werden. Ist ein Staatsrat, der im Jahr Spesen von 5721.70 Franken aufschreibt, bereits ein „Spesenkönig“? Persönlich verursache ich während eines Jahres mindestens ebenso hohe Spesen wie der zitierte Staatsrat. Und ich bin mir eigentlich sicher, dass ich nicht der Spesenkönig unter den Walliser Bürgerinnen und Bürgern bin. Vielleicht ist es halt schon so, dass die Boulevard-Medien je länger je mehr den Ton angeben. Ein reisserischer Aufmacher verspricht eine zahlreichere Leserschaft.

Die erste Miete ging an die Mafia. Soeben ist ein Buch von Peter Hossli erschienen, er ist auch Reporter des SonntagsBlick. Er schreibt eine Liebeserklärung an seinen Beruf. Reporter – ein Traumberuf. Es sei vor allem das Vertrauen, das ihm die Lieferanten von Geschichten entgegenbringen, schreibt Hossli, das diesen Beruf zu einem Traumberuf ausgestalte. Es gelte, als Reporter eine Vertrauensbasis zu schaffen. Nur so würden beispielsweise Opfer von Verbrechen ihre traumatische Geschichte erzählen, schreibt der Autor.

Bild und Text als geglückte Symbiose. Beide wollen sie eine Geschichte erzählen, die Fotografin mit dem Bild und der Reporter mit dem Wort. Nicht als Schreibtischtäter möchte Hossli die Medienschaffenden sehen, sondern vor Ort, bei den Menschen, denn nur da zeige sich, was wirklich wahr und schlüssig sei. Der direkte Kontakt mit den Betroffenen mache die Faszination des Reporter-Berufs aus.

Sind die Medien in der Krise? Der Vorwurf der Medienkrise ist allgegenwärtig. Der Vorwurf, viele Medien würden mehr oder weniger „Fake News“ verbreiten, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Ein Allheilmittel gegen diese Anschuldigungen sieht auch Peter Hossli nicht. Er schlägt vor, die Medienschaffenden müssten vermehrt dem Publikum einen Einblick in die eigene Arbeit gewähren. Für einen Medienschaffenden müsse wichtig sein, sich selbst, die eigene Meinung und die eigene Ideologie ausklammern zu können. Im besten Fall ist das Buch von Peter Hossli ein erster Schritt. Das Buch, aus der Sicht eines Insiders verfasst, könnte dazu beitragen, dass Medien-Konsumenten die Arbeit von Medienschaffenden ganz neu zu beurteilen und zu würdigen versuchen.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig