Der Blutmond

Der Blutmond geht auf. Am kommenden Freitag, dem 27. Juli, kommt es abends ab 21.30 Uhr zu einer totalen Mondfinsternis. Es ist dies die längste Mondfinsternis des Jahrhunderts. Während 103 Minuten wird der Mond in den Kernschatten der Erde eintauchen und in kupferrotem Licht erscheinen. Zum „Blutmond“ kommt es wegen des Streulichts der Sonne. Die langwelligen roten Anteile des Sonnenlichts werden durch die Erdatmosphäre gebrochen. Einen Blutmond wie am kommenden Freitag wird es erst wieder im Jahr 2123 geben. Dies ist eine nüchterne wissenschaftliche Erklärung. Die Literaten betrachten den Blutmond wesentlich phantasievoller.

Magische und mystische Erklärungen. Der Mond, und insbesondere der Blutmond, hat zu allen Zeiten Dichter und Denker auf den Plan gerufen. Der deutsche Dichter Otto Reinhards, geboren 1911, schreibt in seinem Gedicht dem Blutmond die Kraft der Phantasie zu. Der rote Mond bringt unsere Phantasie zum Fliessen. Was der Dichter in seinem Gedicht „Roter Mond“ erzählt, könnte sich genau so am kommenden Freitag zutragen:

Roter Mond. Wenn am Abend Wellen plätschern / weil der Ostwind leise weht, / wenn die Dämm’rung senkt sich nieder, / dann die Welt zur Ruhe geht. / Rot siehst du den Mond aufgehen, / steigt hervor aus Meerestiefen und ein Traum / beginnt zu wandern, Phantasie beginnt zu fliessen. / Jeder Schleier, jede Wolke / birgt in sich ein neues Bild / und im Rauschen mit den Wellen / wird man wieder wie ein Kind. (Quelle: Reinhards, Lyrik am Meer. Gedichte).

Personifikation des Mondes. In Gedichten und Liedern spielt der Mond eine wichtige Rolle. Dabei verbreitet der Mond meistens eine traurige und melancholische Stimmung. Wer kennt es nicht, das Lied vom Mond, das wohl viele von uns im Kindesalter als Einschlafliedchen zu hören bekommen haben? Das Lied handelt von einem Jüngling, der sich nach einem Mädchen sehnt. Doch leider ist der Jüngling schon an eine andere vergeben. Guter Mond, du gehst so stille in den Abendwolken hin, bist so ruhig und ich fühle, dass ich ohne Ruhe bin. Traurig folgen meine Blicke deiner stillen heitern Bahn. O wie hart ist mein Geschicke, dass ich dir nicht folgen kann. Guter Mond, dir darf’s ich klagen, was mein banges Herze kränkt, und an wen mit bittren Klagen die betrübte Seele denkt! Guter Mond, du sollst es wissen, weil du so verschwiegen bist, warum meine Tränen fliessen, warum mein Herz so traurig ist. Mond, du Freund der keuschen Triebe, schleich dich in ihr Kämmerlein; sage ihr, dass ich sie liebe, dass sie einzig und allein, mein Vergnügen, meine Freude, meine Lust, mein alles ist. Dass ich aber schon gebunden und nicht ohne Sünde lieben könne in der Welt. Lauf und sags dem guten Kinde, ob ihr diese Lieb‘ gefällt. 

The Dark Side of the Moon ist das erfolgreichste Album der Rockgruppe Pink Floyd. Man könnte sich Ausschnitte aus „Die dunkle Seite des Mondes“ durchaus am kommenden Freitag als musikalische Begleitung zur Mondfinsternis anhören. Nach dem Erscheinen des Albums im März 1973 wurde das Stück jahrelang in den Hitparaden rauf- und runtergespielt. Mit fast 100 Millionen verkauften Tonträgern wird „The Dark Side of the Moon“ heute als das drittmeistverkaufte Album nach Michael Jacksons „Thriller“ und AC/DCs „Back in Black“ gehandelt. Der Inhalt des Songs ist überzeitlich. Es geht um die Frage: Was kann sensible Menschen in den Wahnsinn treiben? Der Song will anonyme Machtstrukturen aufzeigen wie das Geld, die Zeit und den Kriegswahnsinn. Auch der Verlust einer Utopie, an die etwa noch die Hippiegeneration glaubte, ist im Song verarbeitet.

Jeder Mensch ist wie ein Mond. Von Mark Twain, dem US-amerikanischen Erzähler, stammt das folgende Zitat: Jeder Mensch ist wie ein Mond: er hat eine dunkle Seite, die er niemandem zeigt. Das Zitat ist zutreffend. Auch der Mond zeigt seine Rückseite nicht. Warum? Bei seinem Lauf um die Erde braucht der Mond 29,5 Tage für eine Umdrehung um sich selbst. Deshalb gilt für fast jeden Ort: Zwei Wochen lang Sonnenschein, gefolgt von zwei Wochen Nacht. Während der Mond die Erde umkreist, wendet er uns stets dieselbe Seite zu. Die Rückseite ist daher von der Erde aus nie zu sehen. Die Besatzung des Raumschiffs Apollo 8 konnte zum ersten Mal die Rückseite des Mondes bewundern.

Text und Foto: Kurt Schnidrig