Der Kulturverein Grächen hatte drei schreibende Walliser Frauen zum Lesen, Performen und Erzählen eingeladen. Jolanda Brigger-Ruppen aus Grächen performte besinnliche und heitere Lyrik. Patricia Aschilier aus Steg las aus ihrem neusten Büchlein. Christine Bonvin aus Siders erzählte eine Mordsgeschichte. Joop Coljin, der Vizepräsident des Kulturvereins von Grächen, hatte mit dem Engagement der drei Autorinnen (Bild) zweifellos eine glückliche Hand. Das Publikum kam in den Genuss von drei ganz verschiedenartigen Literatursparten.
Patricia Aschilier trug Passagen aus ihrem Büchlein „Das Quartett“ vor. In ihrer Geschichte haben sich vier Frauen ewige Freundschaft geschworen. Ines, Katharina, Monika und Sara verbringen eine Silvesternacht in einer Hütte. Die Stimmung kippt in dieser Nacht, und die Freundschaft der vier Frauen droht zu zerbrechen. 25 Jahre später wollen sie sich erneut treffen. Besonders Katharina leidet unter einer schwierigen Partnerschaft. Auch wenn das Schicksal hart zuschlägt, liest sich der Schluss doch einigermassen versöhnlich. Was wäre, wenn sie niemals mehr zusammengekommen wären? Für Sara, Ines und Monika hält das Schicksal auch eine positive Wende bereit. Für Katharina allerdings kommt alles Irdische zu spät. Ihr fällt die Rolle zu, auf ihre Kinder und Freundinnen „von oben“ aufzupassen. Von dort, wo sich eines Tages alle wiedersehen werden. Patricia Aschilier (Bild unten) las aus ihrem bereits dritten Taschenbuch. Ihre beiden ersten Büchlein heissen „Eine Fahrt ins Blaue“ und „Elfie“.
Jolanda Brigger-Ruppen verfasst Lyrik und Prosa. Ihren ersten Gedichtband gab sie bereits im Jahr 2002 heraus. Die poetischen Texte trug sie stehend, manchmal gar performend, vor. Ihre neuere Lyrik hat sie (noch) nicht in Buchform veröffentlicht. In einem schmalen Ordner hatte sie die losen Textblätter abgelegt. Sie rezitierte mit Lust und Leidenschaft ihre philosophischen, besinnlichen und humoristischen Gedichte. Philosophisch angehaucht sind ihre Texte, die zum Nachdenken anregen. Thematisch geht es darin zum Beispiel um einen Garten, der ein Idyll ist, rundherum aber fällt Baum um Baum. Oder wenn das Leben so einfach seinen Weg geht: Ein Partner verkündet nach ein paar Ehejahren: Bin dann mal weg. Aphoristisch muten Denkgedichte wie dieses an: Perlentaucher denken nicht daran, dass man Perlen verschenken kann; sie denken daran, dass sich Perlen gut verkaufen lassen. Als besinnliche Texte könnten jene gelten, die sich zum Beispiel mit der Wehrlosigkeit und dem Ausgeliefertsein von Kindern beschäftigen. Kinder können sich ihre Eltern nicht aussuchen, besonders wenn diese in zwei verschiedenen Welten leben. Bereits vor der Geburt müssen Kinder um ihr Dasein kämpfen. Meine Mutterschaft war keine Party, meint eine Gebärende. Jolanda Brigger-Ruppen (Bild unten) versteht es aber auch, dem Publikum ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Mit Sprachspielen etwa. Oder mit schrägen Fragestellungen. Wie ist das mit Fragen mit „Hä?“, lautet eine rhetorische Frage. Oder mit kurzen Geschichten, welche die moderne Technik hinterfragen. Wie lassen sich die „plärrenden Roboter“ in Japan abstellen? Indem man Roboter erfindet, die plärrende Roboter abstellen können!
Christine Bonvin hat sich einen Namen geschaffen als Autorin von Genuss-Krimis. Sie versteht sich aber auch darauf, Minuten der Spannung zu erzeugen. Ihre 7-9 Minuten dauernde Mordsgeschichte trägt den Titel „Das tödliche Geräusch“. Die Geschichte spielt sich in Ernen ab. Die Story hat Eingang gefunden in eine Anthologie, die verkündet, es gebe 1001 Arten zu sterben. 23 Arten werden in der Anthologie JustTales Shortys erzählt. In Christine Bonvins Geschichte entzweit sich ein Ehepaar, Walter und Bettina, wegen eines unheimlichen Geräusches. Sind es Fledermäuse, die das Geräusch verursachen? Ist es gar der Gratzug? Während Bettina eine Nacht voller Schrecken verbringt, schlummert Walter sorglos vor sich hin. Walter glaubt, seine Frau Bettina sehe bloss Hirngespinste. Bettina geht Walter auch sonst schon gehörig auf den Keks. Vor allem mit ihrem Projekt, das Literaturseminar von Donna Leon zu besuchen und dann selber ein Buch zu schreiben. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Am Schluss ist Bettina verletzt und Walter tot. Ist es ein Unfall? Oder ist es Mord? Christine Bonvin (Bild unten) erweist sich als gewiefte Krimi-Autorin.
Die Ohren werden Augen machen. Unter diesem Motto versetzten die drei Autorinnen das Publikum in Staunen. Sie entführten die Sommergäste mit unterschiedlich gearteter literarischer Kost von der Hierwelt in Anderswelten. Wir alle haben den poetischen, dramatischen und spannenden Sommerabend genossen. Das Experiment mit drei so unterschiedlichen Autorinnen ist geglückt. Dies auch dank der hilfreichen Moderation von Beatrice Meichtry.
Text und Fotos: Kurt Schnidrig