Grosse Gefühle

Wie romantisch ist London? Die Stadt an der Themse war schon immer gut für grosse Gefühle. Und das nicht bloss wegen der Regenbogengeschichten aus dem Königshaus. Checken Sie mal die besten Rock’n’Roll-Wahrzeichen der Stadt von der Tin Pan Alley, wo die Rolling Stones ihre grössten Erfolge feierten, bis zu Pink Floyd in der Britannia Row! Oder buchen Sie mal eine Beatles-Tour nach Liverpool! Sie werden zustimmen: Das alles ist einfach nur romantisch und voller grosser Gefühle. Auf den Spuren der legendären „Beatles“ wandelt auch die Meisterin der grossen Gefühle, Jojo Moyes. Sie ist die Autorin des grandiosen Romans Ein ganzes halbes Jahr. Es ist dies der erfolgreichste Roman der letzten Jahre. Der gleichnamige Film erschien mit einem von Moyes verfassten Drehbuch. Der Film war der Abräumer in den Kinos. Jetzt erscheint ein neuer romantischer Bestseller von Jojo Moyes. Einer, mit viel Tiefgang.

Die Meisterin der grossen Gefühle. Ihre Eltern waren grosse Fans der Beatles. Jojo Moyes erhielt ihren Vornamen nach dem Beatles-Song Get Back, in dem ein Mann namens Jojo vorkommt. Sie wuchs als Einzel- und Scheidungskind in einer rauen Gegend Londons auf. Sie schaffte es an die City University London, wo sie Soziologie studierte. Sie konzentrierte sich aufs Schreiben und entdeckte ihre Vorliebe für romantische Geschichten mit grossen Gefühlen. Mit ihrem Roman The Last Letter From Your Lover (deutsch: Eine Handvoll Worte)  gewann sie den Romantic Novel of the Year Award der britischen Novelists‘ Association.  Davon verkaufte sie allein in Deutschland über zwei Millionen Exemplare. Ihren grössten Erfolg feierte Moyes jedoch mit ihrem Roman Ein ganzes halbes Jahr. In dieser Liebesgeschichte ist eine junge Frau die Pflegerin eines reichen Tetraplegikers. Heute lebt Jojo Moyes mit ihrem Mann und drei Kindern auf einem kleinen Gehöft in Saffron Walden, Essex.

Nächte in denen Sturm aufzieht. So heisst ihr neuster Roman. Der Titel lässt auf die stürmische Gefühlswelt schliessen, die auch die aktuelle Story von Jojo Moyes freisetzt. Die Geschichte spielt in einer kleinen Gemeinde in Australien. Und – das kennen wir alle, die wir in kleinen Dörfchen leben – da kennt man sich, da überwacht man sich, und da werden Gerüchte in Umlauf gesetzt. Ein freies Leben ist in einer kleinen Dorfgemeinschaft kaum möglich. Da werden dem einzelnen Bürger von der Dorfgemeinschaft Zwänge auferlegt. Der Einzelne kann sich kaum mehr weiterentwickeln. Ein Liebespaar gerät in den verhängnisvollen Strudel von Gerüchten und sieht sich gezwungen, aus der engstirnigen Dorfgemeinschaft auszubrechen. Irgendwann erwächst der Wunsch, einfach ins Flugzeug zu steigen und allem zu entfliehen, was bedrängt, und was einer grossen Liebe im Wege steht.

Von der lauten Stadt an die stille See. In Australien endet die Geschichte einer grossen Liebe. Doch Jojo Moyes wäre nicht „die Meisterin der Gefühle“, würde sie es mit einer romantischen Liebesgeschichte belassen. Fasziniert von Australien, wo sie früher einmal eine „Whale-Watching-Tour“ mitgemacht hatte, setzt sie sich ein für den Fortbestand und für das Wohlergehen der Wale. So ist Moyes aktueller Roman „Nächte in denen Sturm aufzieht“ auch eine Liebeserklärung an das Meer und ganz besonders an die Wale. Die Wale sind für Moyes eines der eindringlichsten Beispiele dafür, wie wir unser Verhältnis zur Natur zerstören. Die Anmut der Wale steigert nur noch den Horror, wenn sie von Menschen verletzt oder getötet werden.

Auf und davon. Nein, die Geschichten der Jojo Moyes enden nicht mit einem Happy End in Hollywoodscher Manier. Manchmal gibt es nur noch die eine Möglichkeit: Man muss alle Brücken hinter sich abbrechen. Bei Jojo Moyes ist nachzulesen: „Ich liebe mein Leben, wie es ist, und trotzdem fantasiere ich manchmal davon, einfach mit nichts weiter als meinem Pass in ein Flugzeug zu steigen und zu verschwinden. Ich kenne kaum jemanden, der davon nicht auch schon einmal geträumt hat!“ – Wie recht sie hat, die Meisterin der grossen Gefühle.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig