Oberwalliser Lehrerchor: „Let the Sunshine In“

Am vergangenen Wochenende begeisterte der Oberwalliser Lehrerchor in Naters und Leuk-Stadt mit wundervoller Chorliteratur. (Foto: Schnidrig)

Die Konzertsäle im Zentrum Missione in Naters und in Leuk-Stadt vermochten das viele begeistert mitgehende Volk kaum zu fassen. Der Oberwalliser Lehrerchor lud ein zu einem vielseitigen Konzerterlebnis mit poppig-rockigen Songs und besinnlichen Liedern aus den letzten hundert Jahren. Das musikalische Spektrum reichte von Liebesliedern aus der ersten Jahrhunderthälfte, über Hippie- und Rocksongs der 60er und 70er Jahre und bis zu Evergreens der Jahrhundertwende. Unterstützt von den Stimmen der Solisten und von professionellen Musikern traten die 60 Sängerinnen und Sänger des Oberwalliser Lehrerchors unter der Leitung von Hansruedi Kämpfen vors Publikum. Als Sänger, Moderator und Co-Präsident durfte ich zusammen mit vielen wunderbaren Kolleginnen und Kollegen zauberhafte Konzertnächte erleben.

Träumen von einer liebevollen Welt. „Mister Sandman, bring me a dream“, das Eröffnungslied, war gleichzeitig auch Programm: Träumen war angesagt bei Evergreens und unvergesslichen Liebesliedern im ersten Teil des Konzerts. Liebesglück und Liebesleid bestimmen unser ganzes Leben: „Plaisir d’Amour“, das französische Liebeslied, thematisiert allerdings auch die sentimentale Seite des Liebens. Nicht selten weicht die Freude über ein neu gewonnenes Liebesglück nur allzu schnell dem Liebeskummer: „Plaisir d’amour ne dure qu’un moment, chagrin d’amour dure toute la vie.“

Die Liebe – ein Wunder. Was sich doch so alles in der ersten Verliebtheit ereignen kann! „Bring out the tipsy in me“ sangen wir im Jazzsong von George Gershwin. Ja, die Liebe macht beschwipst – auch ganz ohne Alkohol! Und dann tut sich viel blauer Himmel auf, so wie im Lied „Over the Rainbow“ aus dem Musicalfilm „Der Zauberer von Oz“. Aber dann, nach einer wundervollen Liebesnacht, heisst es Abschied zu nehmen von der Liebsten oder vom Liebsten: „Goodnight, sweetheart“, der Ohrwurm von Calvin Carter, lässt beschwingt in den neuen Tag starten. Ja, es stimmt schon, die Liebe ist eine Himmelsmacht! Da kann man noch über so viel Intelligenz verfügen, wenn Amors Pfeil trifft, dann ist man einfach nur machtlos. Zu diesem Ergebnis kam auch schon Elvis Presley, er hat die Macht der Liebe besungen im Song „Can’t Help Falling in Love With You“. Wer sich verliebt, der ist wie ein Fluss, der sich seinen Weg ins Meer sucht.

Die Hoffnung auf Liebe am Leben erhalten. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heisst es. Davon erzählt das Musical Les Miserables, aus dem der Oberwalliser Lehrerchor gleich drei Lieder zum Besten gab, zuerst im Chor, dann übernahmen die Solisten. Ein Gefangener, Jean heisst er, wird aus dem Gefängnis entlassen. Im Lied „I Dreamed A Dream“ träumt er davon, dass nach langer Zeit die Gesellschaft und der Himmel ihn entschuldigen mögen. Aber der Traum von Resozialisierung und von einer neuen Liebe verwandelt sich in einen Albtraum. In Paris nimmt er die junge Frau Cosette zu sich, die sich jedoch in den Studenten Marius verliebt. Cosette findet aber nicht in die Welt ihres Geliebten Marius, davon sang im Konzert des Lehrerchors unsere Solistin Milena Erpen (Alt). Aber eben: Die Hoffnung stirbt zuletzt, und so stossen die Freunde des unglücklich Verliebten Marius an auf eine bessere Zukunft. Als Freunde des Marius waren die Solisten Felix Ruppen (Bass) und David Gysel (Tenor) zu hören.

Goldene Erinnerungen. Was gibt es Schlimmeres, als wenn ein eigenes Kind verunglückt? Ereignet hat sich das Unsagbare im Leben des Songwriters Eric Clapton. Sein vierjähriger Sohn stürzte aus dem Fenster eines Hochhauses, das die Reinigungskraft offenstehen und unbewacht liess. Vater Eric Clapton verarbeitet den Unfalltod seines kleinen Jungen in der Ballade „Tears in Heaven“ – Tränen im Himmel. Was bleibt, das sind Erinnerungen. Im Lied „Fields of Gold“ sind es Erinnerungen an eine wundervolle Liebe. Es ist Sommer, der Wind bläst durch die Kornfelder, und man hat sich ja in diesen goldenen Kornfeldern die Liebe versprochen.

Im Land der Phantasie. Wie toll ist doch so eine Liebe, und was tut man nicht alles für den Partner oder für die Partnerin: Kein Berg ist zu hoch als dass man ihn nicht für die Partnerin erklimmen möchte! Und nichts, aber auch gar nichts, kann einem zustossen, denn man hat ja eine Partnerin, einen Engel: „I’m your Angel“. Das Lied hierzu hat Céline Dijon komponiert. Und immer wieder sind es die Abschiede, die herzzerreissende Szenen nach sich ziehen: „Time to Leave“ – irgendwann ist für jeden die Zeit gekommen, zu gehen. Zuweilen reicht auch schon eine zeitlich begrenzte geistige Auszeit: Die Augen schliessen und sich hinweg träumen, hinweg in ein Phantasieland… Der zweite Teil des Konzerts sollte dementsprechend ganz anders geartet sein.

Das Konzert-Plakat zeigt eine Illustration aus meinem Hippie-Roman. Es fordert dazu auf, die Erinnerungen an die bewegten 60er Jahre wachzuhalten: „Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar“!

Goldene Zeiten. Was waren das für bewegte Zeiten Ende der 60er Jahre! Der Twist ermöglichte erstmals partnerloses Tanzen. Die Führungsrolle von uns Männern ging damit so langsam zu Ende – zumindest auf der Tanzfläche! Tatsächlich steht der Twist auch für den Beginn der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Die Musicals aus Hollywoods Traumfabriken eroberten die Welt. Aus „The Phantom of the Opera“ interpretierte der Oberwalliser Lehrerchor dramatische Literatur: Zwei Liebende, Raoul und Christine, sind in Gefahr. Ein Mörder geht um und verwandelt ein ganzes Theater in ein Chaos. Raoul verspricht in dieser Situation seiner Christine Schutz vor dem grauenhaften Phantom. Ein ganz anderes Phantom dagegen ist der „Pink Panther“. Im gleichnamigen Film jagt Inspektor Jacques Clouseau einen Meisterdieb, der es auf einen riesigen Diamanten abgesehen hat, auf den rosaroten Panther.

Peace and Love. Dann aber gab es für die 60 Sängerinnen und Sänger des Oberwalliser Lehrerchors kein Halten mehr. Wir schwelgten in Erinnerungen an Peace and Love und an Flower-Power. Wir träumten uns nach San Francisco, dem Zentrum der Hippie-Bewegung am Ende der 60er Jahre: „California Dreaming“. Und träumen darf man gewiss auch noch als Alt-Hippie, auch wenn bereits die AHV kommt und wenn das Rheuma mit 64 Jahren zwickt…„When I’m Sixty Four“. Den Beatles-Song hat der Dichter Franz Hohler zauberhaft und humorvoll in ein Dialekt-Chanson umgeschrieben: Wenn i mal alt bi – hesch mi de no gääru? Diese Frage stellt sich auch ein Liebespaar im Lied „Scarborough Fair“. Die beiden ehemaligen Partner stellen sich gegenseitig Aufgaben und erhoffen sich eine gemeinsame Lösung, denn nur so glauben sie, auch als Paar wieder zueinander finden zu können.

Jetzt lassen wir den Sonnenschein herein! Der wundervoll-zauberhafte Hippie-Song „Let the Sunshine In“ – gleichzeitig auch das Motto des Konzerts – riss das nun mittlerweile äusserst gut gelaunte Publikum von den Sitzen. Immer wieder erhebend und optimistisch stimmend, dieser Song aus dem unvergesslichen Musical „Hair“! Schon klar, dass wir uns dafür in unsere ehemalige Original-Hippie-Kluft gestürzt hatten, die Damen erschienen mit blumigen Röcken und mit Kränzen im Haar, die Herren mit allerlei bunten und rockigen Outfits. Und wir liessen den Sonnenschein herein in unsere Herzen, wir standen auf der Bühne zusammen, und plötzlich war’s wie früher: Harmonie und Verständnis auf der ganzen Welt! In diesem Sinne dürfen wir alle auch heute noch Hippies sein: Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar!

Zurück in unserer Zeit. Selbstverständlich gibt es auch heute wieder kreative junge Menschen unter uns. Raban Brunner hatte uns alle im vergangenen Herbst mit dem Musical „Umbra“ beglückt. Daraus sang der Lehrerchor „The Dream“. Und dann, nach so viel Sonnenschein, war ein Abflug angesagt, ab nach Afrika, mit dem gleichnamigen Lied „Africa“ liessen wir es regnen im afrikanischen Regenwald.

Grandioses Finale. Schliesslich fehlte eigentlich nur noch ein Lied, das dieses Konzert krönen konnte: „Bohemian Rhapsody“ von Freddy Mercury, der grösste Rocksong aller Zeiten. Der Song ist Kult und begeistert immer noch das Publikum rund um den Globus. Und? Was bleibt, das sind die Erinnerungen. Es sind dies Erinnerungen an eine zauberhafte Zeit des Probens, des Vorbereitens. Und es sind Erinnerungen an frühere Zeiten, die uns alle geprägt haben, und die uns zu dem haben werden lassen, was wir heute sind.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig