Komik und Satire: Darf man über das Böse lachen?

Ist Komik ein angemessener Umgang mit dem Krieg und mit Figuren wie Adolf Hitler und der NS-Diktatur? (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Diese Frage stellt sich nicht nur zur Fasnachtszeit: Darf man über alles lachen? Darf man in Satire und Komödie auch das Böse thematisieren? Eine filmische Karikatur des Diktators Adolf Hitler hat kürzlich in Hollywood den Oscar für die beste Literaturverfilmung des Jahres abgeräumt. Der Film „Jojo Rabbit“ basiert auf dem psychologischen Roman „Caging Skies“ der neuseeländisch-belgischen Schriftstellerin Christine Leunens. Die Leinwandadaption des Romans reicht weit über andere bisherige filmische Karikaturen des Diktators und seines Staatsapparates hinaus.

Mit Satire gegen das Böse. Die Frage, ob Komik und Satire ein angemessener Umgang sind mit dem Bösen, ist nicht neu. Bereits 1940 mimte Charlie Chaplin in seinem Drama „Der grosse Diktator“ satirisch den Diktator Hitler, der als Potentat für das Böse schlechthin steht. Die humoristische Inszenierung von Charlie Chaplin war damals eine der stärksten Waffen gegen die Kriegstreiber. Damals konnte man Hitler kaum mehr Demütigung antun als durch ein Kabarett, das ihn nicht ernst zu nehmen bereit war. Adolf Hitler, das Nazi-Monster, war zu allen Zeiten auf der Kino-Leinwand gegenwärtig: Als Schreihals, als Hanswurst oder als Karikatur eines überzeichneten Diktators.

Neue Wege für die Satire. In „Jojo Rabbit“ eröffnet das US-amerikanische Drama von Regisseur Taika Waititi ganz neue Wege für die Satire. Wie andere Satiren auf den Nationalsozialismus bedient sich zwar auch er ausgiebig der Komik, er lässt sie jedoch im Verlauf der Filmstory zunehmend ins Leere laufen. Anfänglich ist der 10-jährige Jojo Betzler (gespielt von Griffin Davis) ein begeisterter Anhänger von Hitler und dessen Ideologie. Hitler begleitet den Jungen als Phantasiefigur, manchmal in Gestalt eines Indianer-Häuptlings, manchmal als Unterhaltungsclown und manchmal auch als innere Stimme für Disziplin. Dagegen engagiert sich Jojos Mutter (Scarlett Johansson) im Widerstand gegen Hitler. Sie hält gar ein jüdisches Mädchen, Elsa (Thomasin McKenzie), in ihrem Haus versteckt. Als Jojo dann Elsa entdeckt, gerät dieser in einen Gewissenskonflikt. Soll er Elsa an die Gestapo, an Hitlers Geheimpolizei, ausliefern? Oder soll er seinen privaten und persönlichen Regungen nachgeben? Die Story läuft aus dem Ruder. Jojo verliebt sich in Elsa.

Mit den Augen eines Kindes. Noch nie hat es ein Autor oder Regisseur gewagt, uns das faschistische Deutschland aus der Sicht eines Kindes erleben zu lassen. In der kindlichen Wahrnehmung vermischen sich Realität und Phantasie. Das Grauen des Holocaust und Hitlers Expansionspolitik erscheinen aus dieser Sicht als Teil eines grossen Spiels. „Jojo Rabbit“ suggeriert ein Kindheitsparadies unter dem Hakenkreuz. Doch das Ende ist ernüchternd. Jojo wird ein Opfer seiner Naivität. Er muss zusehen, wie liebe und ihm vertraute Menschen umkommen. Die anfängliche Komik verliert sich in Ratlosigkeit und manifestiert sich in einer verlorenen Kindheit. Zum Schluss kämpft Jojo ums nackte Überleben, physisch wie psychisch angeschlagen. Dies ist es, was Film und Buch von bisherigen Karikaturen unterscheidet, etwa von Dany Levys „Mein Führer“ aus dem Jahr 2007 oder von Jerry Lewis‘ „Wo bitte geht’s zur Front?“ aus dem Jahr 1970.

Satire und Ironie könnten Kinder unter 12 Jahren irritieren und überfordern, heisst es in der Freigabebegründung der FSK (der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmindustrie). Der satirisch-verspielte Film vermische Ebenen von Phantasie und Realität und warte mit zahlreichen bis ins Groteske gehenden Übertreibungen und Slapstick-Elementen auf. Die Deutsche Film- und Medienbewertung versah jedoch den Film und das Buch mit dem Prädikat besonders wertvoll. Der Film und auch das Buch dazu werden empfohlen für die Unterrichtsfächer Geschichte, Deutsch, Englisch, Politik, Religion, Ethik und Kunst.

Darf man über Adolf Hitler lachen? Film und Buch „Jojo Rabbit“ können sich auf berühmte Vorbilder berufen. Insbesondere sind dies „Der grosse Diktator“ und „Sein oder Nichtsein“ sowie „Frühling für Hitler“, deren Macher der Meinung waren, dass man über Adolf Hitler lachen dürfe. Dies allerdings ist ein Ansatz, dessen Gefahren und Chancen im Geschichts- und Politikunterricht erörtert werden sollten. (Vgl. dazu auch Philipp Bühler im Onlineportal kinofenster.de).

Hören Sie hier meine Sendung „Literaturwelle“ zur Literaturverfilmung Jojo Rabbit.

Text und Foto: Kurt Schnidrig