Martin Suter und der Fussball-Star

Martin Suter ehrt seinen Fussballer-Freund Bastian Schweinsteiger mit einem biographischen Roman. (Foto: Kurt Schnidrig)

Martin Suter, Schweizer Romancier, hat eine als Roman aufgemachte Biografie geschrieben über den deutschen Fussballspieler Bastian Schweinsteiger. Die Frage sei erlaubt: Fussball, Sport allgemein – kann man darüber überhaupt einen Roman schreiben? Ja, man kann. Sport muss keineswegs ausschliesslich ein Dasein fristen im Sportteil von Zeitungen und in eigens dafür konzipierten Sendegefässen in elektronischen Medien. Sportthemen waren in der Vergangenheit auch immer wieder erfolgreich von Schriftstellern der Weltliteratur aufgegriffen worden. Ich denke etwa an Allan Silitoes „Die Einsamkeit des Langstreckenläufers“ oder an Peter Handkes „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“. Was allerdings den Literaturkritikern – sogar jenseits des Rheines – sauer aufstösst: Wenn eine Fussballer-Biografie als Roman oder als Romanbiografie deklariert wird und derart etikettiert in den Verkauf gelangt.

Biografie und Roman
sind grundverschiedene literarische Genres. Der Biografie fehlt der psychologische Tiefgang, die Spannung, der Plot, vor allem aber auch eine Botschaft, eine Aussage, die über die Romanstory hinausweist. Bastian Schweinsteiger ist ein klasse Fussballer, das steht ausser Zweifel. Wird nun aber das Leben von „Basti“ von Kindsbeinen an bis zum Ende seiner Fussball-Karriere beschrieben, entsteht unweigerlich ein Fussball-Buch mit Daten und Fakten, dem aber typische Merkmale des Genres Roman fehlen. Was alles erfahren wir in Martin Suters Buch „Einer von euch“ (Diogenes, 380 Seiten)? Fussballer wie Schweinsteiger haben die höchsten Löhne und die tollsten Frauen, im Fall von „Basti“ sind dies 14 Millionen im Jahr und die schönste Tennis-Nr.1 der Welt. Einziger Tiefpunkt in Schweinsteigers Leben: Der „Basti“ hat 2002 den entscheidenden Elfmeter im Champions-League-Final gegen Chelsea verschossen. Beim Abschieds-Spiel in München kamen die bedeutungsschweren Worte über seine Lippen, die um die Welt gingen und nun Martin Suter gewissermassen als Steilpass für seine Romanbiografie gedient haben.

Ich bin einer von euch und werde immer einer von euch bleiben.

(Bastian Schweinsteiger)

Dies alles beschreibt Martin Suter fein säuberlich, aber es fehlen entscheidende Merkmale der Gattung „Roman“. Das Buch ist wohl auch keine Romanbiografie, wobei dieses Kofferwort für die Literaturtheorie noch genauer zu definieren wäre.

Die Möglichkeiten eines Romanciers sind auch bei sogenannter „Sportliteratur“ gegeben und präsentieren sich vielfältig. In „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ hat Peter Handke einen Ausschnitt gewählt, eine tragische Episode aus dem Leben eines Torhüters, die Romanstoff vom Feinsten liefert. Bei Bastian Schweinsteiger hätte der verschossene Elfmeter beim Champions-League-Final gegen Chelsea ebenfalls einem Romanschriftsteller als Katalysator und als Aufhänger dienen können, um die verschiedenen Facetten des Fussballers Schweinsteigers ausloten zu können. Was geht in einem Fussballer vor? Wie verarbeitet er einen Fehlschuss? Wie belasten oder befeuern ihn die Reaktionen aus seinem Umfeld? Aus derartigen Fragestellungen lässt sich mit Bestimmtheit eine spannende und psychologisch ergiebige Roman-Story konstruieren.

Auch Oberwalliser Sportler sind bereits „literarisch“ geworden. Gleich mehrere sehr eindrückliche Beispiele liefert der Sammelband „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“ von Christina und Christian Boss (Friedrich Reinhardt Verlag Basel, 379 Seiten). Darin erzählt Daniel Albrecht äusserst berührend und mitfühlend von seinem Absturz im Abschlusstraining zur berüchtigten Abfahrt in Kitzbühel. Mit über 149 km/h rast Daniel Albrecht auf den Zielsprung zu, dann stürzt er heftig und trägt ein Schädel-Hirn-Trauma davon. Sein Zustand ist lebensbedrohlich. Es folgt ein langer Verarbeitungs-Prozess und das Comeback im Weltcup schon ein Jahr später. Alles muss er neu wieder lernen. Die Botschaft des Autoren-Teams ist überdeutlich: „Die tragischen Schicksale und die unterschiedlichen Lebenswege zeigen, dass es immer wieder aufwärts geht.“ Jetzt baut Daniel Albrecht Mondhäuser und er hat eine eigene Kleiderlinie kreiert – daraus lässt sich vortrefflich eine spannende Roman-Story konstruieren.

Ich bin überzeugt, plötzlich wieder einen grossen Wurf landen zu können. Denn wie heisst es doch so treffend in meinem Lieblingszitat von Hermann Hesse: Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.

Daniel Albrecht

Es liegt an uns, jeweils das Beste aus jeder noch so vertrackten Lebenssituation zu machen. Wenn es einer Erzählung oder einem Roman gelingt, den Leserinnen und Lesern in Form einer spannenden, unterhaltsamen und psychologisch motivierten Story eine derartige Botschaft zu vermitteln – und dies ohne den Zeigefinger moralisierend zu erheben – ist ein gutes Stück gehaltvolle Literatur gelungen.

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig