Liebe beginnt mit Beziehungsgeschichten. Mit einer heimlichen Affäre zum Beispiel. Und sie endet für einige wenige nach einer jahrzehntelangen Ehe. Liebe beginnt dann, wenn die Schmetterlinge des ersten Verliebtseins im Bauch flattern. Liebe endet dann, wenn die flatternden Schmetterlinge zu Motten geworden sind, die alles zerstören. Und was die Liebe mit dem Frühling zu tun hat, das können wohl nur Chemiker annähernd erklären.
Kompliziert wird es dann, wenn Wissenschaftler uns die Liebe erklären wollen. Sie warten mit Studien auf. Wohl jede und jeder von uns hat schon mal in seinem Leben diese Achterbahn der Gefühle mitgemacht. Doch nur wenige fragen sich, was da eigentlich los ist, und was da im Innern eines Menschen vor sich geht. Vielleicht sollte man ja auch gar nicht danach fragen. Der Volksmund sagt, dass Liebe blind mache. Das muss so sein, denn nur die blinde Liebe ermöglicht ein Verhalten, das mit wachen Sinnen kaum möglich wäre.
Wie wir lieben und begehren – darüber gibt es auch in diesem Frühling viel Literatur. Mit einer neuen Mischung versucht es der sizilianische Molekularbiologe Giovanni Frazzetto. Es ist dies die Mischung von romantischer Liebe und wissenschaftlicher Erkenntnis. Er erzählt verschiedene Beziehungsgeschichten, die er jeweils mit einem wissenschaftlichen Teil verbindet. So schreibt er über die Verbindung zwischen einem One-Night-Stand und Dopamin-Rezeptoren, zwischen Berührung und Blutdruck, zwischen Hautkontakt und Hirnarealen. Beim Lesen war es mir, als stünde ich zuerst inmitten einer blumigen und sonnenwarmen Frühlingswiese, um mich anschliessend von einem bitterkalten Regenschauer auskühlen zu lassen. Nun ja, menschliche Beziehungen sind nun mal eine Wundertüte. Man weiss nie genau, was da jetzt rauskommt, wenn man hineinlangt.
Das Gefühlschaos lässt sich ganz unromantisch erklären. Wenn wir jemanden lieben und begehren, verändert sich der Stoffwechsel im Körper und im Gehirn. Da ist das Dopamin, es beeinflusst das Wollen und die Erregung. Dazu gesellt sich das Serotonin, das auch als Glückshormon bekannt ist. Paradox ist allerdings, dass ausgerechnet der Serotoninspiegel im Zustand des Verliebtseins absinkt. Warum? Weil Verliebte auf ihr Objekt der Begierde regelrecht fixiert sind. Zusammen mit dem Dopamin, dem Serotonin und den Endorphinen entsteht jedoch eine magische Mischung, die ein berauschendes Glücksgefühl auslöst und die Hemmschwelle zwischen zwei Menschen herabsetzt. Bei körperlicher Nähe, insbesondere beim Sex, wird zusätzlich das Oxytocin ausgeschüttet. Das Oxytocin trägt auch den Spitznamen „Kuschelhormon“. Eine wichtige Rolle spielen in der Liebe zudem die Geschlechtshormone, insbesondere das Testosteron. Bei verliebten Männern sinkt der Testosteronspiegel ab, was bewirkt, dass aus wilden Kerlen plötzlich kuschelige Bärchen werden. Bei verliebten Frauen verhält es sich umgekehrt. Bei ihnen steigt der Testosteronspiegel an und ihre Lust auf Sex nimmt deswegen zu.
Liebe ist schön und schrecklich zugleich. Wenn wir lieben und begehren, befinden wir uns in einer Situation, die unseren Körper und unsere Psyche nicht selten überfordert. Wir verzehren uns vor Sehnsucht und wir sind süchtig nach der Partnerin oder dem Partner. Wir benehmen uns unvernünftig. Wir geben unser Innerstes preis und machen uns verletzbar. Im Rausch der Gefühle sind wir machtlos, was wir zuweilen nicht nur als lustvoll erleben. Trotzdem. Liebe fordert uns, und sie ist wichtig für unsere Persönlichkeitsentwicklung. Wir definieren uns über Beziehungen.
Wenn es um die Liebe geht, sind selbst Experten manchmal sprachlos. Wissenschaft kann vieles erklären. Wenn es um die Liebe geht, sind jedoch noch viele Fragen offen. Auf eine der wichtigsten Fragen hat die Wissenschaft bis heute keine Antwort gefunden. Es ist dies die Frage, warum ein bestimmter Mitmensch in uns das Feuer der Liebe entfacht. Und warum uns ein anderer komplett kalt lässt. Wer nur findet in Bälde eine Antwort auf diese brennende Frage?
Die Liebe ist und bleibt ein Wunder. Egal, ob man nun die Liebe wissenschaftlich betrachtet, oder ob man sich mit dem Bild der flatternden Schmetterlinge zufrieden gibt. Die Liebe macht unser Leben spannend. Und die Liebe sorgt dafür, dass unser Leben seinen Zauber niemals verlieren wird.
Text und Foto: Kurt Schnidrig