Die Sommergäste haben sich bereits verflüchtigt. Das Dorf Leukerbad träumt sich dem Winter entgegen. Der Kurort ist nun nur noch über die Winterstrasse erreichbar. Hektik und Lärm der Hochsaison sind einer beschaulichen Ruhe gewichen. Ich schlendere die Rathausstrasse empor und suche nach einem Hinweisschild, das mir den Weg zum Hotel Beau-Séjour weist. Direkt neben der Gemmibahn mit einer atemberaubenden Aussicht auf die Berge steht das Hotel Beau-Séjour. Eingebettet in eine wunderschöne Landschaft und umgeben von beeindruckenden Bergen. Sie erwartet mich an der Rezeption, Joanne Gattlen, Hotelmanagerin und Fantasy-Autorin.
Auch ein Club73-Roman. Wir kennen uns seit drei Jahren, Joanne und ich. Im Dezember 2016 moderierte ich eine Lesung in der Bibliothek Steg. Nach dem Auftritt kam eine junge Frau auf mich zu, kaum dem Teenie-Alter entwachsen, aber schon sehr selbstbewusst und mit einer klaren Message: „Ich habe eine Idee. Und Sie wissen sicher, wie man daraus ein Buch macht. Ich heisse Joanne.“ Etwas verdutzt, entfuhr es mir: „Aha, Joanne, wie die grosse Joanne K. Rowling, die Harry-Potter-Autorin…“ – „Ja genau“, strahlte Joanne übers ganze Gesicht, „auch ich möchte einen Fantasy-Roman schreiben.“ Wir haben uns seither viele Male getroffen, sie hat mir erzählt, von sich, von ihren Figuren und auch von Irland, dem Traumland, das ein Setting abgeben sollte für die Fantasy-Geschichte, in die sie sich nun schon seit Primarschultagen hineinträumt. Der Zufall wollte es, dass in dieser Zeit die Gründung des Club73 erfolgte, ein Club auf Vereinsbasis, der sich die Förderung des literarischen Schaffens im Wallis auf die Fahne geschrieben hat und dessen Gründungs-Präsident ich immer noch bin. Fasziniert von Joannes Ideenreichtum bat ich sie, den Vorstand des Club73 nach Erscheinen ihres Buches zu verstärken. Weil sich der Club73 unter anderem auch die Unterstützung des Rottenverlags in verlagsspezifischen, organisatorischen und finanziellen Belangen vorgenommen hat, ist nun „Meravella“ im Rottenverlag erschienen, es ist aber auch ein weiterer Roman, der sich aufgrund der Entstehungsgeschichte als ein echter Club73-Roman bezeichnen lässt.
Von klein auf eine grosse Leserin. Schon in der Primarschule habe sie Fantasy-Romane „verschlungen“, gesteht Joanne Gattlen. Alles habe mit den Harry-Potter-Romanen begonnen, dann habe sie querbeet alles gelesen, was ihr in die Finger gekommen sei. In der Orientierungsschule dann habe sie erstmals Kurzgeschichten zu Papier gebracht. „Da keimte in mir die Idee auf, selber ein Buch zu schreiben“, berichtet sie. Und immer wieder sind es die Feen, die Joanne besuchen, sie verfolgen sie bis in ihre Träume. Manchmal ein kurzes Flattern am Ohr? Ein merkwürdiges Schimmern im Gras? In ihrem Buch sind dies untrügliche Anzeichen, dass Feen im Anflug sind.
Mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Nein, es sei ihr denn doch noch nie passiert, dass sie ein Techtelmechtel mit einer Fee angefangen habe, lacht Joanne. Diese Feen-Geschichten seien eher aus einer Idee heraus geboren. Während eines Amerika-Aufenthalts habe sie ein Gastmädchen mit der Faszination für Feen angesteckt. Was ihr aber problemlos gelinge, das sei ein Abtauchen in eine andere Welt. Auch das Verschwinden im Leben eines anderen beim Lesen, dafür müsse sie sich nicht anstrengen. Beim Lesen könne sie sich gut hineinversetzen und die „richtige“ Welt eine Zeitlang vergessen. Das sei ja auch eine explizite Funktion des Lesens: Man könne sich in ein anderes Leben einfühlen und in eine andere Geschichte eintauchen.
Ein unerwartet magischer Sommer. Was ist denn nun das „Unerwartete“ an Joanne Gattlens „Meravella-Story“? Die Hauptperson in ihrer Geschichte sei im Glauben gewesen, dass sie ihre Sommerferien in einem kleinen Ort in Irland verbringen müsse. Doch dann komme alles ganz anders… mehr will sie nicht verraten, Joanne, die Jungautorin. Vielleicht mehr an der Buchtaufe und bestimmt viel mehr für alle, die sich in den 270-seitigen Fantasyroman „Meravella“ vertiefen.
Buchtaufe in der ZAP Brig. Die Vernissage von Joanne Gattlens „Meravella“ geht heute Donnerstag, 10. Oktober, in der ZAP Brig über die Bühne. Moderation: Kurt Schnidrig. Wir freuen uns auf Sie. Lesen Sie alles über die Buchtaufe und auch eine Buchrezension demnächst hier in Ihrem rro Blog Literatur.
Text und Fotos: Kurt Schnidrig