Kinderbücher im digitalen Zeitalter

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Schulbeginn auch für die jüngsten ABC-Schützen. Mit Bilderbüchern machen sie erste Leseerfahrungen. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Bestimmt haben viele von uns mit Bilderbüchern ihre ersten Leseerfahrungen gemacht. Vielleicht mit „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch? Oder mit dem „Regenbogenfisch“? Oder vielleicht mit „Die kleine Raupe Nimmersatt“? Immer war bei diesen ersten Leseerfahrungen auch der Kontakt mit der Kindergärtnerin oder mit der Unterstufen-Lehrperson wichtig. Auch Papa, Mama und andere Bezugspersonen holen ein Kind in seiner Erlebniswelt ab, wenn sie zusammen mit ihm ein Bilderbuch anschauen, daraus vorlesen und auf kindliche Fragen antworten.

Ein Drittel der Schweizer Kinder nimmt täglich ein Buch zur Hand. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Medien, Interaktion, Kinder, Eltern“ (MIKE) der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Die Zahl der Neuerscheinungen von Kinderbüchern auf dem deutschsprachigen Markt hat sich in den vergangenen 20 Jahren auf nahezu 9000 pro Jahr verdoppelt. Schweizer Autorinnen und Autoren legen sich für unsere Jüngsten ebenfalls mächtig ins Zeug und sorgen für spannenden Lesestoff. Auf dem Kinderbuch-Markt sind heute Namen angesagt wie Dana Grigorcea, Katja Alves oder Lorenz Pauli. Früher waren es Lisa Wenger, Selina Chönz und Franz Hohler.

„Kinderbücher sind auch ein Nostalgieprodukt, und zwar durchaus im positiven Sinn. Sie wecken Erinnerungen und Gefühle, verbinden Generationen und übermitteln als Kulturgut Traditionen und gesellschaftliche Werte.“

Anita Müller, Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Geht es nach den Technik-Freaks, sollten Kinder heute auch interaktiv ein Kinderbuch lesen können. Dabei sollten sie mit den Figuren einer Geschichte virtuell kommunizieren und agieren können. Möglich macht dies die sogenannte AR-Technik. Die Abkürzung AR steht für Augmented Reality. Dazu braucht es eine eigene App, die auf dem Smartphone oder auf dem Tablet installiert wird. So können Kinder alle Features nutzen: Sie können das Bild verändern oder sie können auch den Sound zuschalten. So brüllt zum Beispiel der Tyrannosaurus Rex auf Kommando oder er tappst schwerfällig über die Buchseiten.

Das erste Walliser Bilderbuch mit AR-Technik trägt den Titel „Valis Welt“. Das Buch behandelt das komplexe Thema „Raumentwicklung 2020“. Der Chef der kantonalen Dienststelle für Raumentwicklung möchte mit dem Bilderbuch den kleinen und grossen Walliser*innen die Raumentwicklung näher bringen. Ob sich aber die neue digitale Technik durchsetzen kann? Wichtig wird wohl auch künftig das persönliche Kopf-Kino sein. Sich eigene Bilder im Kopf machen können, das wird auch im digitalen Zeitalter prioritär bleiben.

Auch im digitalen Zeitalter werden Kinderbücher wie „Schellen Ursli“, „Papa Moll“ oder „Der Regenbogenfisch“ die Welt unserer jüngsten ABC-Schützen bereichern. Der absolute Überflieger ist nach Auskunft des SIKJM immer noch „Heidi“ der Zürcher Autorin Johanna Spyri (1827-1901). Das Buch verkaufte sich weltweit über 50 Millionen Mal und ist damit nach dem „Kleinen Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry der zweitgrösste Verkaufsschlager im Bereich der Kinderliteratur.

„Spyri macht die Spannung zwischen Moderne und Tradition, die Sehnsucht nach der heilen Natur, aber auch Gefühle wie Heimweh, Trennung und kindliche Entwicklung zum Thema. Diese Themen haben universale Bedeutung und sind auch heute noch von Belang.“

Anita Müller, Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM

Das Schweizer Kinderbuch ist (noch) keine bedrohte Spezies. Trotzdem muss die Suche nach neuen und spannenden Lesestoffen für Kinder und Jugendliche eine Herausforderung bleiben. Nicht zuletzt auch deshalb, damit Kinder gleiche Chancen haben für ihre Bildungslaufbahn sowie die Möglichkeit, in der Gesellschaft mitzuwirken.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Thema „Digitale Trends in der Kinderliteratur“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)
Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Thema „Augmented Reality im Kinderbuch“ (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)

Text, Foto und Radiosendung: Kurt Schnidrig