Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Der Natischer Drache ist systemrelevant. Natürlich darf der raus! (Foto: Kurt Schnidrig)

Die Corona-Krise hat eine neue Art von Humor geschaffen. „Eine Krise verändert und beeinflusst den Humor aller Betroffenen“, schreibt die Humorexpertin Eva Ullmann. Sie hat soeben ein topaktuelles Buch herausgegeben. Das Buch heisst „Humor ist Chefsache“. Humorexpertin Eva Ullmann vertritt darin die These, dass Humor in jeden guten Handwerkskoffer einer Führungskraft gehört. Ullmanns Thesen kommen just zur rechten Zeit. Wer ein Händchen für Humor entwickelt, hat einen klaren Vorteil, besonders auch in einer Krisensituation, doziert die Humorexpertin im „ersten Sachbuch für Humor“. Das Sachbuch ist exklusiv Führungskräften vorbehalten, vom Controller bis Chefarzt, vom Ingenieur bis Informatiker. Egal ob als Arzt oder als Top-Manager, als Politiker im Wahlkampf oder als Teamleiter – es gilt, den in uns schlummernden Humor zu entdecken, zu schärfen und geschickt einzusetzen.

Der Natischer Drache ist systemrelevant. Darf man während Krisenzeiten lachen? Darf man über Corona Witze reissen? Macht sich schuldig, wer lacht, wenn er den Drachen auf dem Natischer Marktplatz sieht, der trotz aller Mahnungen des Bundesrates („Bleiben Sie zu Hause!“) raus darf, weil er womöglich während der Fasnacht „systemrelevant“ ist, also zu den „wichtigen Gütern des täglichen Lebens“ gehört? Nein, sagen die führenden Psychologen. Mit einer Prise Humor kommen wir besser durch jede Krise.

„Wir müssen Corona-Witze machen, weil so die Situation für uns erträglicher wird. Selbst in der schlimmsten aller Katastrophen, nämlich im Holocaust, haben sich die Gefangenen Witze erzählt. Mit dem Lachen nimmst du der Angst ein Stück weit den Schrecken.“

Sebastian Bartoschek, *1979, deutscher Psychologe, Podcaster und Autor

Corona-Witze können aber auch als verletzend empfunden werden. So schrieb etwa der 62-jährige chinesische Künstler Ai Weiwei kürzlich auf Instagram: „Das Coronavirus ist wie Pasta. Die Chinesen haben sie erfunden und die Italiener haben sie verbreitet“. Viele Italiener sollen das gar nicht lustig gefunden haben.

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“. Diesen Aphorismus prägte der deutsche Autor Otto Julius Bierbaum (1865-1910). Die Aktualität liefert reichlich Stoff dafür: Hamsterkäufe in der Krise beispielsweise. Unzählige Witze haben in den vergangenen Wochen die Hamsterkäufe von WC-Papier auf die Schippe genommen. Witze über Klopapier haben Corona-Witze zu einem eigenen Genre mutieren lassen. Sicher haben Sie folgenden Hinweis in Ihrem Einkaufsladen auch bereits entdeckt: „How do you pay? VISA, Mastercard, Klopapier?“

Galgenhumor oder Schwarzer Humor. Was unseren Nachbarn in Deutschland vollends abgeht, das besitzen wir Schweizer*innen zumindest in Krisenzeiten. Unser „Mister Corona“, Dr. Daniel Koch, hat demonstriert, was es bedeutet, auch in Krisenzeiten das Lachen nicht zu verlieren. Etwa, als er im Anzug und mit Krawatte in die Aare sprang mit dem Ausruf: „Die Aare ist bebadbar!“ Sein Nachfolger, der Epidemiologe Marcel Tanner, Taskforce-Mitglied des Bundes, legt zuweilen sogar unfreiwilligen Humor an den Tag. Man könne auch Weihnachten feiern „ohne dass wir uns stundenlang umarmen“, sagte er zu SRF. Und er empfahl „Waldweihnachten an der frischen Luft“. Das ist ein „Sophismus“, eine Spitzfindigkeit, weil es Waldweihnachten nun mal so an sich haben, dass sie an der frischen Luft stattfinden. Waldweihnacht mit Nonstop-Lüftung gewissermassen, epidemiologisch empfohlen. Diesbezüglich lässt sich gerne auch Lukaschenko zitieren. Er schwört ebenfalls auf Naturheilmittel. Er soll gesagt haben, gegen Covid-19 helfe Wodka und Traktorfahren an der frischen Luft. Auch Osteuropäer geben sich in der Krise naturnah. Ein osteuropäischer Witz empfiehlt, dass nichts besser gegen Corona wirke als Knoblauch. Das Rezept: Jeden Tag drei Zehen Knoblauch kauen. Sogleich fällt es viel einfacher, dass die Leute Sicherheitsabstand halten.

„Humor schafft eine gewisse Erleichterung und eine emotionale Distanz. Wir können Sorgen und Ängste so leichter bewältigen.“

Aus: „Humor ist Chefsache“ von Eva Ullmann

Humor ist systemrelevant. Humor unterhält, lenkt ab und tröstet. Heitere Momente in Ausnahmesituationen helfen. Einlagen mit gesundem Humor setzen dem Virus ihr exponentielles Wachstum entgegen. Humor ist die einzige Ansteckung, die gesundheitsfördernd ist. Oder anders ausgedrückt: Lachen ist die beste Medizin. Passend eingesetzter Humor hilft, Ziele schneller zu erreichen, doziert Eva Ullmann.

Eva Ullmann gilt als die Humorexpertin. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Humortrainerin und Autorin. Sie ist gelernte Sozialpädagogin. In Leipzig gründete sie das „Deutsche Institut für Humor“. Das Institut hat es sich zur Aufgabe gemacht, Humor zu trainieren und Business-Inhalte humorvoller zu verpacken.

„Uns interessiert die passende Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor. Wir begleiten Führungskräfte zu humorvollen Auftritten. Dabei geht es nicht um das Witze erzählen oder um eine permanente Karnevals-Sitzung.“

Aus: „Humor ist Chefsache“ von Eva Ullmann

In der deutschen Literatur ist der Humor so selten wie ein Fastenprediger an der Fasnacht. Schon Mark Twain schrieb: „Ein deutscher Witz ist nichts zum Lachen.“ Tatsächlich fürchten viele Verfasser von deutschsprachigen Literatur-Klassikern den Humor wie der Teufel das Weihwasser. Lange Zeit gab man dem Dichterfürsten Goethe die Schuld dafür, denn schliesslich habe er die Idee des Genies erfunden. Wer aber ein Genie sei, der könne nebenher nicht auch noch lustig sein, werfen ihm die Kritiker vor. Ist also Goethe allein verantwortlich dafür, dass die deutschsprachigen Dichter und Schriftsteller das Lustigsein so gar nicht beherrschen? Das heilige Wort des Dichters dürfen schäbige Lacher und Clowns niemals entweihen, forderten auch Poeten wie Rilke und Hölderlin. Im deutschsprachigen Raum weiss man nie so genau, wann ein Autor wirklich witzig sein will oder wann seine Schreibe unfreiwillig witzig geraten ist. Denn häufig sind es die rätselhaften und trockenen Stellen in einem Roman, die unfreiwilligen Humor versprühen. Auch Kafka hatte so eine koboldhafte Seite, auf die man erst bei näherer Betrachtung stösst. Es scheint, als seien der Humor und das Lachen in der deutschen Literatur einfach nur mühsame Zutaten, die hin und wieder nun mal sein müssen. Oder um mit Friedrich Nietzsche zu sprechen: „Der Mensch allein leidet so tief, dass er das Lachen erfinden musste.“ (Auszug aus: Kurt Schnidrig: „Ein Leuchtturm in der Finsternis“, Seiten 72-73).

Text und Bild: Kurt Schnidrig