Im Krieg ein Kind sein

Was bedeutet es, im Krieg ein Kind zu sein? Reportagen der Organisation „Save the Children“ bewegen und berühren. (Symbolbild aus Afrika: Kurt Schnidrig)

In den Konfliktgebieten dieser Welt wachsen aktuell 426 Millionen Kinder auf. Wie gestaltet sich das Kindsein inmitten einer kriegerischen Welt? Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs schützt und fördert die Organisation „Save the Children“ diese Kinder. Die grösste Kinderrechts-Organisation der Welt feiert ihr 100-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass begab sich der Schweizer Fotojournalist Dominic Nahr auf eine weltweite Spurensuche nach den „Kriegskindern“ der vergangenen 100 Jahre. Er traf immer noch rüstige Überlebende des Ersten Weltkriegs. Und er traf auch das neugeborene Rohingya-Mädchen Rajiya. Insgesamt elf berührende und bewegende Reportagen sind entstanden und nun im Bildband „Ich lebe“ veröffentlicht worden. Alle Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erlebten als Kinder einen Krieg. Nur dank „Save the Children“ konnten sie überleben.

Am Literaturfestival Berlin nahm das Projekt seinen Anfang. Alles begann mit einem Foto. Nach dem Ersten Weltkrieg, um 1919, sah die britische Sozialreformerin Eglantyne Jebb hungernde Kinder auf einem Zeitungsfoto. Sie beschloss, aktiv zu werden. Mit Hilfe von Spenden versorgte sie Jungen und Mädchen in Kriegsgebieten mit Lebensmitteln und mit Medikamenten. Noch im selben Jahr wurde die Organisation „Save the Children“ ins Leben gerufen. In Genf wurde die Organisation als internationaler Verband installiert. „Save the Children“ ist heute die grösste politisch unabhängige Kinderhilfsorganisation der Welt.

Der Bildband „Ich lebe“ erzählt von Menschen in Syrien, Kolumbien, Ruanda, Afghanistan, Kambodscha, Nigeria, Korea, Spanien und Deutschland. Alle porträtierten Menschen hatten Ähnliches erlebt.

„Im Krieg ein Kind zu sein, verbindet sie. Natürlich waren in jedem Fall die Umstände anders, aber es gab viele Aspekte, die ähnlich waren, zum Beispiel, dass alle weglaufen mussten und von ihren Familien getrennt wurden.“

Dominic Nahr, Fotograf, im DW-Interview

Berührende Begegnungen vermittelt der Bildband. Zum Beispiel mit Mawla Jan Nazari. Er war in der Nähe der afghanischen Hauptstadt Kabul aufgewachsen. 1979 musste er während der sowjetischen Intervention mit seiner Familie nach Pakistan fliehen. Damals war Mawla Jan Nazari 14 Jahre alt. Er überstand den Krieg in einem Flüchtlingslager nur dank der Organisation „Save the Children“. Heute ist er Vater von elf Kindern im Alter zwischen eins und 27 Jahren.

Einen Überlebenden des Ersten Weltkriegs trafen die Autoren mitten in Berlin. In diesem Sommer feiert Erich Karl seinen 107. Geburtstag. In seinem langen Leben hat er mehrere Kriege und Konflikte durchgestanden. Im Jahr 1939 war es, da wurde Erich Karl vom Militär rekrutiert und nach Ostpreussen geschickt. Der Fotograf hat ihn nun auf seinem Balkon in Berlin abgelichtet. Vom Balkon seiner Berliner Wohnung aus sieht der 106-jährige Erich Karl auf ein Lager mit Notunterkünften für Flüchtlinge – die meisten von ihnen stammen aus Syrien. Zu ihnen gehört auch der 11-jährige Amal aus Homs, der ebenfalls im Bildband porträtiert ist.

Allen Widrigkeiten zum Trotz haben viele Kinder, die inmitten von Krieg und Verwüstung aufgewachsen sind, später ihren eigenen Weg ins Leben gefunden. Trotz der schrecklichen Erlebnisse haben sie niemals die Hoffnung und die Zuversicht verloren. Das Buch bewegt und ermutigt, sich vermehrt einzusetzen für eine bessere Welt ohne Kriege. Es appelliert an unsere Verantwortung, den Kindern dieser Welt eine heile und lebenswerte Zukunft zu hinterlassen.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zu „Save the Children“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Joel Bieler / Lilian Ritler)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig