Walliser Jagd – ein Fall für den Psychiater?

Mit dem Psychiater, Psychotherapeuten und Krimiautor Kaspar Wolfensberger lässt sich vortrefflich über das Walliser Jagdwesen fachsimpeln (Foto: Kurt Schnidrig)

Mit dem Psychiater und Psychotherapeuten Kaspar Wolfensberger habe ich mich ausgiebig unterhalten über die Walliser Jäger, über ihre Treffsicherheit und über das Restrisiko, das während der Jagd für Wanderer besteht. In seinem Kriminalroman „Gommer Herbst“ erweist sich Kaspar Wolfensberger als grosser Kenner des hiesigen Jagdwesens. Nicht nur hat er sich bestens mit den inhaltlichen Aspekten des Jagdwesens am Oberlauf des Rottens vertraut gemacht, als Abonnent der Jägerzeitung verfügt er auch über das „Jägerlatein“, die Fachsprache der Jägerinnen und Jäger.

Ein todernstes Handwerk? Nun, Sie haben es bestimmt schon zwischen meinen Zeilen herausgelesen, liebe Leserin, lieber Leser, so ganz todernst wollen wir Wolfensbergers Ausführungen nicht nehmen, obschon: Steinböcke, Hirsche und Rehe werden in diesen Tagen gleich zu Hunderten abgeknallt und ins Jenseits befördert, und das ist selbstredend tatsächlich ein todernstes Handwerk. Das Blut des erlegten Tieres heisst in der Jägersprache „Schweiss“. Ein guter Jäger „trägt einem Tier den Schuss an“. Wie aber kann das sein? Gibt es gesunde Tiere, die diesen „Antrag“ annehmen? Wenn ich nur schon an die über zweieinhalbtausend Hirsche denke, die in den kommenden Tagen bei uns den „Antrag“ einer Jägerin oder eines Jägers annehmen, dann stellt sich schon die Frage, ob nicht nur die Jägerschaft, die einem stattlichen Wildtier „den Schuss anträgt“, sondern auch die Wildtiere selbst, die naiv und selbstlos diesen „Antrag“ anscheinend freiwillig annehmen, einen Psychiater nötig hätten.

Die Gefahren und Risiken, welche die schwer bewaffneten Jäger*innen in diesen Tagen heraufbeschwören, sind zum Glück einigermassen überschaubar. Sind unsere Oberwalliser Jäger*innen sichere und zuverlässige Grünröcke? Der Psychiater Wolfensberger stellt nach ausgiebigen Studien und Beobachtungen an Gommer Jägern eine recht beruhigende Diagnose. Allerdings, wenn es beim Morgengrauen oder beim Eindunkeln so richtig „chlepft“ und „tätscht“ in unseren Wäldern, appelliert der gewiefte Psychiater zusätzlich an die Selbstverantwortung eines jeden einzelnen von uns.

„Ich würde ohne zu zögern mit einem Gommer Jäger auf die Jagd gehen. Allerdings bleibt da immer ein Restrisiko. Eine gelbe Signalweste würde ich deshalb schon überziehen.“

(Kaspar Wolfensberger, Psychiater und Psychotherapeut)

Die aktuelle Wolfs-Problematik ist für Kaspar Wolfensberger kein Buch mit sieben Siegeln. Ganz im Gegenteil. Erst kürzlich fiel den Gommer Jägern wieder einmal die zweifelhafte Ehre zu, dem Meister Isegrim ein paar Kugeln auf den Pelz brennen zu dürfen. Und das erst noch mit dem Segen des obersten eidgenössischen Jagdaufsehers. Er habe viel dazu recherchiert, verriet mir Kaspar Wolfensberger. Er habe Wolfsbefürworter und Wolfsgegner zu einer klärenden Psychoanalyse auf die Couch gebeten. In seiner unverwechselbar ironischen Art meinte er daraufhin mit einem Schmunzeln: „Die Grüezini hend immer die grööschtusch Klappa, wenn s um du Wolf geit.“

„Die Grüezini hend immer die gröschtusch Klappa, wenn s um de Wolf geit“, meint der Psychiater Wolfensberger. (Foto: Kurt Schnidrig)

Wer auf die Pirsch geht, der sollte nebst dem Jagdgewehr und der „Buttiglia“ mit Zielwasser auf gar keinen Fall den Humor vergessen. Eine grosse Portion Humor ist bitter nötig. Denn nicht nur im Goms, auch sonst überall im Wallis ballern in diesen Tagen die Grünröcke auf alles, was sich bewegt. So habe ich denn mutig die Frage aller Fragen an den Psychotherapeuten Wolfensberger gerichtet: Welche Therapie würden Sie den schiesswütigen Jäger*innen empfehlen? Die Antwort des Psychotherapeuten kam prompt und gekonnt diplomatisch:

„Die Gommer Jäger, die ich getroffen habe, sind alle gesund und stehen mit beiden Beinen auf dem Boden. Und sollte einmal eine Therapie für übereifrige Jägerinnen oder Jäger erforderlich sein, dann würde ich eine Lachtherapie verschreiben.“

(Kaspar Wolfensberger, Psychiater und Psychotherapeut)

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zur Gommer Jagd aus der Sicht des Psychiaters Kaspar Wolfensberger. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Joel Bieler / Christina Werlen)

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig.

(Das Gespräch mit Kaspar Wolfensberger entstand anlässlich der Vernissage seines Krimis „Gommer Herbst“)