Eine Liebeserklärung an den Baum

Bäume haben ein geheimes Leben und einen langen Atem – es lohnt sich, mit ihnen zu kommunizieren. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Bäume kommen sehr gut ohne Menschen aus, aber Menschen nicht ohne Bäume. Dies sagt der Förster Peter Wohlleben, der mit seinem neusten Bestseller „Der lange Atem der Bäume“ (wieder) einen Volltreffer gelandet hat. Er wollte schon als Kind Naturschützer werden. So studierte er denn Forstwirtschaft und arbeitet heute in der von ihm gegründeten Wald-Akademie in der Eifel. Mit seinen Megasellern „Das geheime Leben der Bäume“, „Das Seelenleben der Tiere“, „Das geheime Netzwerk der Natur“ und „Das geheime Band zwischen Mensch und Natur“ hat er die Menschen rund um den Erdball begeistert. Fast eine halbe Million Besucher*innen sahen bisher im Kino den Film zum gleichnamigen Buch „Das geheime Leben der Bäume“. Haben Bäume ein Bewusstsein? Können sie Schmerzen empfinden? Sind Bäume intelligent und verhalten sie sich sozial untereinander? Es sei nicht verschwiegen, dass es Wissenschaftler gibt, die Peter Wohllebens Theorien und Thesen zum Teufel wünschen. Die Kritiker werfen Wohlleben eine Vermenschlichung der Bäume vor. Sie bangen um die traditionelle Holz- und Forstwirtschaft, die man gemäss Wohllebens Thesen wohl stilllegen müsste.

„Der lange Atem der Bäume“ – so lautet der Titel des neusten Buchs von Peter Wohlleben. Einmal mehr wartet der studierte Forstwirt mit erstaunlichen Erkenntnissen auf. Hätten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gewusst, dass Bäume über die Fähigkeit verfügen zu lernen? Sie lernen zum Beispiel, mit dem Klimawandel umzugehen. Oder hätten Sie gewusst, dass Bäume auch Schmerzen empfinden können? Aber das ist noch lange nicht alles. Hätten Sie gewusst, dass Bäume sogar miteinander kommunizieren und kooperieren können?

„Ob ein Wolf ein Wildschwein reisst oder ein Hirsch einen Eichensämling abfrisst, in beiden Fällen kommt es zu Schmerz und Tod.“

Peter Wohlleben

Peter Wohlleben ist überzeugt, dass die Bäume leben und dass sie über ein Hirn verfügen, ganz ähnlich wie die Menschen auch. Bäume haben ein Bewusstsein und einen langen Atem, davon ist Peter Wohlleben felsenfest überzeugt. Alle diese Erkenntnisse belegt der studierte Forstwirt auch wissenschaftlich.

Wohllebens Liebeserklärung an die Bäume polarisiert. In den Medien findet Wohlleben zwar meistens viel Zustimmung und er stösst auf ein erfreuliches Echo. Die konventionelle Forstwirtschaft jedoch kritisiert Wohlleben scharf. Stein des Anstosses für die Kritiker ist die Feststellung, dass Wohlleben den Bäumen menschliche Eigenschaften zuordnet. Peter Wohlleben würde die Bäume wie moralisch gute Wesen behandeln, nörgeln die Kritiker. Vor allem die Aussage Wohllebens, dass die Bäume wie Menschen ihre Verwandten unterstützen würden – sowas will den Kritikern partout nicht einleuchten.

Bäume schicken ihre Kinder in den „Baum-Kindergarten“, behauptet der Forstwart Wohlleben. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Bäume verhalten sich wie Eltern, die ihre (Baum-)Kinder ernähren und für deren Weiterbildung besorgt sind, glaubt Wohlleben herausgefunden zu haben. Können Bäume ihre Kinder sogar „stillen“, so wie Mütter oder Ammen ihre menschlichen Kinder mit der Brust stillen? Peter Wohlleben antwortet auf derartige Fragen ungeniert mit einem überzeugten „Ja!“ Die Kritiker monieren, derartige Aussagen seien unwissenschaftlich. Sowas sei romantisierender Kitsch. Nicht selten wird Wohlleben von Vertretern der traditionellen Holzwirtschaft mit Häme und Spott überschüttet. Dahinter stecken jedoch knallharte Existenzängste. Die traditionelle Holzwirtschaft müsste man stilllegen, würde man den Häresien von Peter Wohlleben Glauben schenken, befürchtet die Holz-Lobby. Betroffen von einer Stilllegung wären rund eine Million Menschen, die ihr Auskommen in der Holz- und Forstwirtschaft finden.

Unterstützung und Schützenhilfe kommt aus wissenschaftlichen Kreisen. Insbesondere Exponenten der neurobiologischen Forschung widersprechen den Kritikern und stützen Peter Wohllebens Thesen. Eine Kommunikation zwischen Bäumen sei durchaus denkbar und auch feststellbar, kommen die Neurobiologen zum Schluss. Und es sei keineswegs auszuschliessen, dass auch die Bäume über „eine Art von Hirn“ verfügen würden. Auf jeden Fall aber ist „Der lange Atem der Bäume“ eine Liebeserklärung an die Bäume und ein flammender Appell, die Natur und insbesondere die Bäume zu schützen und zu bewahren.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zu Peter Wohlleben und zu seinem Buch „Der lange Atem der Bäume“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Stefanie Sterren / Christina Werlen)

Text, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig