Ein Skandal-Buch als Segen für den Literatur-Betrieb?

Der Buchbestseller „Spare“ bewegt England. Ein Besuch in London. (Bild: Kurt Schnidrig)

Das Buch ist und bleibt Ausgangspunkt für alle anderen Medien. Dies die erfreuliche Botschaft für den Literaturbetrieb anfangs des Neuen Jahres 2023. Wer dieser Tage in London weilt, dem bleib angesichts der meilenlangen Menschenschlangen vor den Bookstores und Bookshops nur noch ein erstauntes Kopfschütteln. Als ich nach stundenlangem „queuing up“, also schlangestehen, endlich Einlass finde im wohl berühmtesten Bookstore Londons, im Waterstones Piccadilly, entschuldigen sich die Verkäuferinnen in vollendeter britischer Höflichkeit: „Sorry, sold out!“ Das Buch „Spare“ von Prinz Harry ist einmal mehr ausverkauft.

Die Auswirkungen des weltweiten Buch-Bestsellers „Spare“ sind grandios und „magic“, wie die Briten zu formulieren pflegen. Das Buch liefert weltweit medialen Gesprächsstoff. Prinz Harry geht darin buchstäblich ans „Eingemachte“. Es geht um Gewalt, Verrat, Verlust und Sex, bis hin zum Geständnis, dass er, Prinz Harry, als Soldat im Afghanistan-Einsatz nicht weniger als 25 Taliban getötet habe. Erstaunlich, wie auch die Sprache im Buch „Spare“ zu Diskussionen Anlass gibt. Zum Beispiel dann, wenn Prinz Harry die Taliban als „Schachfiguren“ bezeichnet. Der sprachliche Ausrutscher hat nun sogar die britische Armee auf den Plan gerufen und zu einer Intervention veranlasst.

Als rro-Literaturexperte auf den Spuren des Bestsellers „Spare“ in London. (Bild: Kurt Schnidrig)

Die Memoiren in Buchform zeigen exemplarisch auf, wie grandios und wie bedeutend das gedruckte Buch auch in heutiger Zeit noch ist. Harrys Buch hat die Macht und das Zeug dazu, die Monarchie zu entzaubern. Tina Brown, die Autorin der „Palace Papers“, Hausautorin der Königsfamilie, sagt, Harry habe sich als Buchautor zu einer menschlichen Granate entwickelt. Wie auch immer. Das Buch ist und bleibt das Medium Nummer eins. Und den Traum vom eigenen Buch, den träumt nicht nur Prinz Harry, den träumen viele von uns, bestimmt auch wieder im Neuen Jahr 2023.

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig