Der 11. November ist für die Zeit-Optimisten ein wichtiges Datum. In Gondo zelebrierten sie den Kick-Off zu einer ganzen Veranstaltungsreihe zum Thema „Zeitzeichen“. In Gondo ist seit 2002 ein Zeitforschungsinstitut ansässig. Die Erkenntnisse der Zeitforschung sind hoch relevant für neue Lösungsansätze zu Problemstellungen in Wirtschaft, im Gesundheitswesen, in der Bildung und in der Friedensförderung. Seit Januar 2002 befasst sich Ivo Muri als Zeitforscher mit Zeitproblemen. Ich durfte mich mit Ivo Muri über das Thema „Zeit“ unterhalten (Bild).
In seinem Buch „Die drei Arten von Zeit“ befasst er sich mit lebenswichtigen Fragen. Viele von uns haben Zeitprobleme. Sie klagen darüber, dass sie nicht mehr Herr oder Frau ihrer eigenen Zeit sind. Zwar haben wir immer präzisere Uhren, diese lösen aber unsere Zeitprobleme nicht. Internet und Mobiltelefone diktieren unseren Lebensrhythmus und drängen uns in einen endlosen Dauerlauf in einem Hamsterrad.
Können wir aus diesem Hamsterrad aussteigen? Viele Zeitprobleme ergeben sich, weil es – nach Ivo Muri – drei Arten von Zeit gibt, die wir miteinander verwechseln. Es gibt die Zeit der Uhren, die Zeit des Lebens und die Zeit der Wirtschaft. Die Uhren zeigen uns nichts anderes als den Sonnenstand, also die Bewegung der Planeten im Raum. Ganz anders die Zeit des Lebens. In der Psychologie sprechen wir von der Zeit des Lebens als der Lebensenergie, die jedem Lebenswesen innewohnt, solange es lebt. Im Gegensatz zur Uhrenzeit bezeichnet Ivo Muri diese Zeit des Lebens auch als psychische Zeit oder seelische Zeit. Richtig zu leben heisst, seine Lebensenergie oder Lebenszeit bewusst auf die richtigen Aktivitäten zu lenken und haushälterisch damit umzugehen.
Der Wirtschaft scheint unser Bedürfnis nach Lebensrhythmen egal zu sein. Im Wirtschaftsalltag gerät unser Zeitgefühl ausser Kontrolle. Die Wirtschaft setzt Zeit gleich mit Geld. Ivo Muri doziert: Zeit ist Geld, weil wir das Geld aufgrund von Vereinbarungen an die Uhrzeit gekoppelt haben. Buchhalterinnen und Buchhalter verrechnen „Fixkosten“, diese sind fixiert und festgemacht an der Uhrenzeit. Zu diesen Koppelmechanismen gehört beispielsweise der Hypothekarzins, die Leasingprämie, der Monatslohn.
Wollen wir das Hamsterrad – also diese Fixkostenspirale – stoppen, müssen die fixen Lohnkosten eines Unternehmens dem Mitarbeitenden helfen, seine privaten Fixkosten zu decken. Erst wenn man die Wirkungsweise dieser Fixkostenspirale wertneutral untersucht habe, werde man wirksame Lösungen finden für eine Entschleunigung der Arbeitswelt, weiss Ivo Muri.
Zugegeben, das alles tönt etwas kompliziert. Nach Zeitforscher Ivo Muri ist die Unterscheidung dieser drei Arten von Zeit aber ein gangbarer Weg, um Zeiträume zu schaffen, mit deren Hilfe wir das Notwendige erledigen können.
Text und Foto: Kurt Schnidrig