Samstagnacht, 11. November, feierte rro seinen 27. Geburtstag mit einer Party-Sause im Crazy in Gamsen. Als freier Mitarbeiter und rro-Literaturexperte freute ich mich über die animierten Gespräche mit dem einen oder anderen Partygast. Dass dabei im Partygetöse zuweilen sogar die Literatur am Radio thematisiert wurde, war nebst den Genderbuebu und den Partyhelden eines meiner persönlichen Highlights an diesem Abend. Literatur am Radio? Ein Geburtstag ist immer auch eine Gelegenheit, zurückzublättern und in Erinnerungen zu schwelgen.
Im Jahr 1993 stiess ich zum rro-Team, und arbeitete dann als Informationschef in der Redaktion, allerdings lediglich in Teilzeit, denn hauptberuflich war ich am Oberwalliser Seminar mit der Ausbildung von Lehrpersonen beschäftigt. Doch bereits für das rro-Team der ersten Stunde war die Literatur immer ein angesagtes Thema. Die wohl erste literarische Sendung aus dem Hofji in Visp war das „Ofubankji“. In dieser Sendung erzählten oder lasen wir zur Winterszeit in Paar-Moderation aktuelle Geschichten. Dutzende „Ofubankji“-Sendungen durfte ich mit meiner leider viel zu früh verstorbenen Kollegin Indira Burgener realisieren. Zu einem veritablen „Ofubankji“-Highlight geriet eine Ofubankji-Sendung mit Geschichten des Kreativitäts-Forschers Gottlieb Guntern, die ich zusammen mit Christine Gertschen moderierte. Der damals weltweit engagierte Psychiater und seine Frau luden uns beide nach der Sendung zu sich nach Hause zu einem feinen Nachtessen ein. Weitere wundervolle und bereichernde Begegnungen mit den Gunterns sollten folgen.
Jahrelang betreute ich dann die Sendung „Kulturjournal“, in der die Literatur nur ein Thema von vielen war. Das „Kulturjournal“ beinhaltete auch Reportagen, Besprechungen und O-Ton-Mitschnitte von Theatern, Vernissagen und anderen kulturellen Veranstaltungen. Für mich war die Betreuung des „Kulturjournals“ zwar sehr aufwändig, aber auch äusserst bereichernd. Unglaublich, wie viele Kulturschaffende ich während meiner Arbeit für diese Kultursendung kennenlernen durfte. Die Bekanntschaften und Freundschaften aus dieser Zeit haben bis heute Bestand.
Nach dem Kulturjournal kamen die Report-Sendungen. Fasziniert vom investigativen Journalismus eines Günther Walraff, versuchte ich – manchmal in Zusammenarbeit mit Rainer Maria Salzgeber – heisse und teils auch tabuisierteThemen aufzugreifen und in eine rund 45-minütigen Reportage-Sendung zu verpacken. Darunter waren etwa Themen wie beispielsweise „Versteckte Kinder bei uns“, „Das Leben von Asylanten“, „Umgang mit der Immunschwächekrankheit Aids“ oder „Lebensrettung mit der Air Zermatt“. Der „Report“ gehörte jeweils am Samstagnachmittag zum Fix-Programm von rro.
Anfangs der 90er-Jahre wechselte ich beruflich als Dozent an die Hochschule Wallis, was eine Auszeit bei rro bedingte. 1995 stiess ich dann erneut zum Team, diesmal mit einer eigenen halbstündigen Literatur-Sendung, die jeweils am Mittwochmorgen ausgestrahlt wurde. Die Sendung befasste sich jede Woche mit einem aktuellen Thema, das literarisch aufgearbeitet und mit entsprechenden Buchvorstellungen zum Weiterlesen animierte.
Im Sinne einer flexibleren Programmgestaltung wurde vor zwei Jahren die Literatur-Sendung umgewandelt in Literatur-Beiträge, die nun, zu unterschiedlichen Sendezeiten, im rro-Wochenprogramm auftauchen. Zusätzlich gibt es seit kurzem auch die Literaturabende aus dem Studio Barrique in Eyholz, die mit gutem Erfolg per Livestream als Literatur-TV übertragen werden (Bild: Literatur-Talk vom 12.10.2017).
Der rro-Geburtstag gestern Nacht war für mich auch ein Anlass, um mit diesem oder jenem Party-Gast in Erinnerungen zu schwelgen. Literatur am Radio oder per Livestream zu vermitteln, ist immer auch eine Herausforderung der besonderen Art.
Text und Foto: Kurt Schnidrig