Der Körper als Architektur

Im Sommer ist Körperkult angesagt. Zeit für die Männer, den Bierbauch zurückzudämmen. Zeit für die Frauen, an der Strandfigur zu arbeiten. Zumindest suggeriert uns dies die Werbung. Sei es mit Sauerkraut-Diät, mit Eiweisspulver oder mit anderen Abnehmtricks. Wobei: Übertreiben sollte man es nicht. Steh zu deinen Pfunden, propagieren nicht nur feministische Kreise. Anders verhält es sich mit Akrobaten, Tänzern und Sportlern. Für sie ist ein schlanker und fitter Körper ein Muss. Soeben veröffentlicht die Schlangenfrau Nina Burri einen tollen Bildband mit dem Titel „Body in Motion“. Kurze, poetische Texte illustriert sie mit zauberhaften Fotos.

Den eigenen Stil finden. Wer in dem grossformatigen Bildband blättert, dem fällt die Entwicklung auf, welche Nina Burri durchlebt hat. Es ist dies eine Entwicklung vom unsicheren Mädchen zu einer selbstsicheren Frau, die weiss, was sie im Leben will, und was sie selber als Künstlerin zu bieten hat. Heute versuchen viele, sich einem gängigen Trend anzupassen. Falsch, sagt Nina Burri. Was heute „in“ oder „out“ ist, das ändert sich mit den Launen der Fashion-Industrie ständig. Was ist erlaubt? Was ist verboten? Egal. Jede und jeder soll selber herausfinden, wo die eigenen Grenzen sind.

Typisch schweizerisch. Nina Burri bezeichnet ihre Herkunft als typisch schweizerisch. Der Vater arbeitet als Polizist, die Mutter betreibt einen Verleih für Schweizer Trachten. Als kleines Mädchen versuchte sie ihre ersten Schritte auf der Studiobühne Bern. Aus eigener Kraft und auf eigene Initiative hin hat sie es an die renommierte Bejart-Tanzschule geschafft. Erst mit dreissig Jahren hat sie dann den Wechsel hin zur Torsionskunst vollzogen. In China hatte sie sich zur Schlangentänzerin ausbilden lassen.

Ungewöhnliche Schauplätze. Der Bildband zeigt Nina Burri an ungewöhnlichen Schauplätzen. Unter dem Arbeitstitel „City Life“ etwa versucht die Künstlerin das Flair einer Grossstadt einzufangen. Sie schwärmt für das Leben in einer Grossstadt, für die endlosen und faszinierenden Möglichkeiten, die eine Stadt wie New York bietet. Spannend und geheimnisvoll ist, was Nina Burri unter „Uncovering“ versteht. Der englische Begriff liesse sich übersetzen mit „aufdecken, zeigen, sichtbar machen“. Die Schlangenfrau zeigt, wie sich aus wenig sehr viel machen lässt. Da performt sie etwa mit einem Tuch als Tanzpartner in der Wüste Nevada. Das Ganze stellt sie mit Hilfe von viel technischem Knowhow in ein mystisch-magisches Licht. Die Starfotografen spielen mit der Belichtungszeit und malen mit farbigem Licht ein lebendiges Kunstwerk.

Die Phantasie beflügeln. Als „Snake Lady“, als Schlangenfrau, zeigt sich Nina Burri in mannigfachen Erscheinungsformen. Als Catwoman streift sie filmreif über die Dächer der Stadt, und sie nimmt den Betrachter mit auf eine Sightseeing-Tour. Sie setzt Phantasien und Träume frei. Etwa dann, wenn sie bekennt: „Ja, es ist mein Traum, einmal splitternackt in den Buchstaben des Hollywood Sign zu posieren.“ Wie spannend sich die Arbeit der Künstlerin gestaltet, lässt sich nur erahnen. Sie schreibt: „Jeden Tag was anderes! Von Hollywood in die Berliner Wohnung meines Fotografen und die High Heels seiner Ex, vom alten Militärmantel ins eiskalte Tanzstudio. Der Körper als Architektur. Peitschen, Perücken und eine Hommage an Audrey Hepburn…“

Und weiter träumen. Noch ist nicht ausgeträumt. Da sind noch so viele Ideen, Visionen und Entwürfe. „Tief unter Wasser, da will ich eine schöne Meerjungfrau sein – aber das ist schwieriger, als es aussieht“, bekennt Nina Burri. Oder: „Bond-Girl sein, war immer mein Traum. Den Gegner mit meiner Kunst und Wendigkeit zu erledigen…“ Das Unmögliche versuchen. Nina Burri zeigt, wie das geht. Sie lebt gemäss dem Motto von Nelson Mandela. „It always seems impossible until it’s done.“

Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig; Buchcover: www.werdverlag.ch