Fasnacht kann lustig sein. Vorausgesetzt, man ist in passender und aufgestellter Gesellschaft. Die organisierte Fröhlichkeit ist aber nicht jedermanns Sache. Lachen auf Befehl, Schunkeln nach Vorgabe, Abtanzen zum Geschränze der Guggenmusiken – all dieser institutionalisierte Frohsinn kann Spass bereiten. Falls man denn entsprechend emotional gestimmt ist. Der Zwang zur Fröhlichkeit kann aber manchmal auch einfach zu gross sein. In der Verweigerung des kollektiven Zwangsoptimismus kann auch ein Stück Freiheit liegen.
Ein Menschenrecht auf schlechte Laune. In unseren glücksfixierten Zeiten sollte man sich einen gelegentlichen Schlechte-Laune-Anfall gönnen, meint die Autorin Andrea Gerk in ihrem Buch „Lob der schlechten Laune“ (Verlag Kein & Aber). Schlechte Laune könne eine Form von emotionalem Widerstand sein, schreibt Gerk. Gelegentliche schlechte Laune zeuge von einem Aufbegehren gegen die vermeintliche Kalkulierbarkeit unserer Psyche. Nicht jeder habe es nötig, sich ein kollektives Wohlfühlimage zuzulegen. Und nicht jeder brauche sich für jede Stimmungsflaute zu rechtfertigen. Es müsse ein Menschenrecht sein, sich auch mal durchs Leben zu muffeln.
Schlechte Laune schafft einen kreativen Modus. Der Philosoph Arthur Schopenhauer eilt mit seinen Schriften allen Fasnachtsmuffeln zu Hilfe. Eine gewisse Unzufriedenheit kann nämlich auch Kreativität freisetzen. Davon zeugen all die Schnelldenker, Anarchisten und Philosophen. Sie sind die wahren Lebenskünstler. Wer zwanghaft lacht, der denkt nicht. Der kauft sich eine Bratwurst mit Bier an der Fasnacht und lässt sich zudröhnen. Es sind vielmehr die mürrischen Eigenbrötler, die ins Grübeln kommen und die erfinderisch sind. Kreative Arbeit ist deshalb nicht selten das Ergebnis von Schlechte-Laune-Anfällen.
Mich wundert, dass ich so fröhlich bin. Dieser Spruch bringt zum Ausdruck, dass es oftmals einfach an einem Grund zum Fröhlichsein fehlt. Der Spruch ist der letzte Vers eines Vierzeilers von Martinus von Biberach aus dem Jahr 1498: „Ich leb und weiss nit wie lang, / Ich stirb und weiss nit wann, / Ich fahr und weiss nit wohin, / Mich wundert, dass ich so fröhlich bin.“ Der österreichische Schriftsteller Johannes Mario Simmel gab seinem ersten Roman aus dem Jahr 1949 den Titel „Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“. Er schildert, wie während des Zweiten Weltkriegs in Wien sieben Menschen bei einem Bombenangriff verschüttet werden. Die Eingeschlossenen wachsen über sich hinaus. In der ausweglosen Situation zeigen sie menschliche Grösse. Sie geben nicht auf und hoffen auf einen rettenden Funken Leben.
Voraussetzung für alles Neue. Knurrige Menschen treffe man fast nur noch in Film und Literatur, schreibt die Theaterwissenschafterin Andrea Gerk. Da trifft die Autorin zweifellos einen Nerv der Zeit. Wir alle leben heute in einer Diktatur der Positivität. Führt man sich nur schon mal die Biografien von Literaten, Drehbuchautoren und Regisseuren zu Gemüte, dann ergibt sich nicht selten das Bild von traumatisierten und vom Schicksal gezeichneten Persönlichkeiten.
Unglücklich in einer Welt des Wohlstands. Wir moderne Menschen leben hier in einer westlichen Wohlstandswelt. Trotzdem fragen sich viele nach dem Sinn des Lebens. Die Psychoanalyse und die Psychotherapien boomen. Ein Grund dafür könnte sein, dass wir das Dunkle, das Risikoreiche, das Melancholische verdrängt haben. Auch die dunklen Seiten des Lebens wollen gelebt und erlitten sein. Wohl erst dann stellt sich das Helle ein, das Heitere und die Fröhlichkeit.
Text und Foto: Kurt Schnidrig