Für das Buch war das Jahr 2019 ein grossartiges Jahr. Einziger kleiner Wermutstropfen im literarischen Mix ist wohl die Tatsache, dass im Bereich der Belletristik ein Megaseller gefehlt hat. In Basel, an der Verleihung des Schweizer Buchpreises, hat mich die Autorin Simone Lappert zutiefst beeindruckt. Ihr Buch „Der Sprung“ ist für mich das beste Schweizer Buch des Jahres. Grossartig recherchiert und in stimmige Sprache verpackt erzählt Simone Lappert, was passiert, wenn eines Tages eine Frau auf dem Dach eines Hochhauses steht und damit droht, von da oben herunterzuspringen.
„GRM Brainfuck“ – das meistdiskutierte Buch. In welche Richtung sich unsere digitale Welt weiterentwickeln könnte, dazu hat sich Sybille Berg ein Horror-Szenario ausgedacht, das nachdenklich stimmt. Das preisgekrönte Buch hat wachgerüttelt und es ist zu einem Mahnmal emporstilisiert worden für all jene, die allzu sorglos mit Begriffen wie „gläserner Bürger“ oder „Überwachungsstaat“ um sich werfen. Vielleicht auch der düsteren Endzeitstimmung wegen stiess Sybille Bergs Buch jedoch nicht überall auf die Zustimmung eines breiten Publikums.
Ein internationaler Longseller. Bereits 2011 ist in Israel „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ erschienen. Yuval Hariri hat damit einen Longseller gelandet, dessen Überzeugungskraft auch im vergangenen Jahr ungebrochen anhielt und faszinierte. Das Buch erzählt von den grossartigen Leistungen, welche die Menschheit in der Vergangenheit vollbracht hat. Yuval Hariri führt uns aber auch mit erschreckender Rhetorik vor, wie sich die Menschen unserer Tage zu Halbgötter emporstilisiert haben. Wir Menschen der Moderne handeln verantwortungsloser denn je. Wir Heutige richten ein Chaos an. Mit all dem Wertvollen, das uns anvertraut ist, gehen wir grob fahrlässig um. Was gibt es Schlimmeres als unzufriedene Götter, die nicht wissen, was sie wollen?, fragt Hariri seine perplexe und schockierte Leserschaft.
Erfrischend unbekannte Oberwalliser Autorenschaft hat im vergangenen Jahr die regionale Literaturszene gekonnt aufgemischt. Endlich einmal ein Fantasyroman!, war man versucht auszurufen, als Joanne Gattlen mit „Meravella“ mutig in die Fusstapfen ihres grossen Vorbilds Joanne K. Rowling trat.
Einen stimmigen Frauen- und Beziehungsroman legte Sieglinde Kuonen-Kronig vor. In unserer Region hat sie insbesondere auch dem eingefahrenen und häufig auch stockenden Literaturbetrieb neue Wege des Publizierens aufgezeigt. Ihr Roman „Gelbe Tulpen vor dem Haus“ überzeugt durch eine überraschende Anwendung von literarischen Kunstmitteln. Die Autorin erzählt von „Abschied und Aufbruch in einem Walliser Dorf“.
Bester Rechercheur. Geht es um historische Walliser Romane, gibt es zurzeit zwei grossartige Rechercheure, deren Werke sich nicht bloss äusserts spannend lesen, sondern die zusätzlich auch noch ein prächtiges Sittengemälde des Wallis in früheren Zeiten abgeben. Werner Ryser hat sich mit dem „Walliser Totentanz“ bereits ein Denkmal gesetzt, und mit „Geh, wilder Knochenmann“ setzte er im vergangenen Jahr zu einer Trilogie an, die von einer breiten Leserschaft heiss herbeigesehnt wird. Mit Kurt Studer ist nun auch noch ein zweiter Verfasser von historischen Romanen auf den Plan getreten.
120 Blog-Geschichten habe ich für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, im vergangenen Jahr verfasst. Oftmals waren sie ergänzt mit Audio-Beiträgen im Radio und mit Nachrichten-Meldungen auf rro. Persönlich äusserst bereichernde Erlebnisse waren für mich besonders auch die zahlreichen Live-Auftritte als Moderator oder als Literaturexperte. Ein reichhaltiges Literaturjahr geht zu Ende, ein vielversprechendes neues Literaturjahr lockt. Darauf wollen wir anstossen. Prosit Neujahr!
Text und Fotos: Kurt Schnidrig