Der neue Donna-Leon-Krimi erscheint in diesen Tagen. Der nun bereits 29. Fall von Commissario Brunetti trägt den Titel „Geheime Quellen“. Schauplatz ist – wie bei Donna Leon üblich – die Stadt Venedig. Allerdings ist es dieses Mal nicht das Acqua alta, das Hochwasser, das den Venezianern zu schaffen macht, sondern eine unbarmherzige Hitze. Commissario Brunetti fühlt sich schlapp und ausgelaugt, nicht zuletzt auch wegen der unzähligen Touristen, die Venedig heimsuchen.
Ein Telefon-Anruf aus einem Ospedale bringt die Handlung im neuen Donna-Leon-Krimi in Gang. Eine unheilbar krebskranke Frau ist am Apparat. Benedetta, so heisst die Frau, liegt auf dem Sterbebett und behauptet, jemand habe ihren Ehemann, ihren Vittorio, ermordet. Leider versagt die Sprache der Sterbenden, so dass nur noch einige zusammenhangslose Wortfetzen ans Ohr des Commissario Brunetti dringen. Mit Mühe hört der Commissario die Worte „schlechtes Geld“ aus dem Gestammel der Frau heraus. Mehr jedoch nicht. Der gutherzige Commissario gibt der sterbenden Frau am Totenbett das Versprechen ab, dass er den Fall aufklären und die Todesursache ihres Vittorio herausfinden werde. Nachdem Benedetta das Zeitliche gesegnet hat, sehen sich der Commissario und seine Kollegin Claudia Griffoni einer fast unlösbaren Aufgabe gegenüber. Fest steht einzig: Vittorio, Benedettas Ehemann, ist mit seinem Motorrad verunfallt, von der Strasse abgekommen und in einem Canale versunken. Die Obduktion zeitigte ein eindeutiges Ergebnis: Tod durch Ertrinken.
Wer auch nur einen der bisherigen 28 Donna-Leon-Krimis gelesen hat, der weiss: Vittorio hat wohl kaum einen „Unfalltod durch Ertrinken“ erlitten. Aber weshalb hat man ihn ermordet? Wer könnte wohl von Vittorios Ableben profitieren? Und weshalb hat Benedetta, Vittorios Frau, auf dem Totenbett von „schlechtem Geld“ gestammelt, bevor sie gestorben ist? Nun, so viel sei verraten: Vittorio war im Veneto angestellt bei einer Trinkwasser-Firma. Ihm oblag die Kontrolle der Grund-, Fluss- und Quellwasser Venedigs. Geht es um die Sauberkeit des Wassers, dann steht immer auch das Ansehen, das Image, der Stadt Venedig auf dem Spiel.
In den Donna-Leon-Krimis geht es nie einfach nur um Mord. In ihre Kriminalfälle sind immer auch Politiker verwickelt. Es geht um korrupte Machenschaften, und es geht um dreckige Geschäfte. Allerdings möchte die Erfolgsautorin das Leben in ihrer Wahlheimat Italien weiterhin ungestört geniessen. Deshalb lässt sie ihre Krimis nicht ins Italienische übersetzen.
„Ich hoffe, dass es den Italienern erspart bleibt zu lesen, was ich über ihr Land schreibe. Meine Gedanken kreisen immer darum, eine Bank auszurauben oder jemanden zu belügen und zu betrügen. Und das ist, ehrlich gesagt, schlimmer geworden, seit ich Krimis schreibe.“
Donna Leon
Donna Leon verliess mit 23 Jahren die USA und ihren Geburtsort New Jersey, um in Perugia und Siena zu studieren. Nach Studienabschluss arbeitete sie als Reisebegleiterin in Rom. Was auch viele ihrer Leserinnen und Leser nicht wissen: Donna Leon wagte einen Abstecher in den Iran. Allerdings nicht als Schriftstellerin, sondern als Tennis-Spielerin. Kurz vor dem Sturz des Schahs wurde sie im Iran erste und einzige weibliche Tennis-Championne. Danach lehrte sie englische und amerikanische Literatur an der Universität eines amerikanischen Militärstützpunkts in der Nähe von Venedig. Dort lebt sie seit 1981, wenn sie sich nicht gerade an ihrem zweiten Wohnsitz in der Schweiz aufhält.
Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig