„Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“

Vor Schicksalsschlägen und Abstürzen ist niemand gefeit. Wie gelangt man aber wieder zurück auf die Sonnenseite des Lebens? Persönlichkeiten wie Daniel Albrecht und Kevin Lötscher erzählen im Buch von Christina und Christian Boss. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Wohl die meisten von uns haben in ihrem Leben dieses vielzitierte „Tal der Tränen“ bereits durchschritten. Vor Schicksalsschlägen und Abstürzen jeglicher Art ist niemand gefeit. Wie aber gelingt es, sich aus dem Tal der Tränen zu verabschieden und sich wieder auf die Sonnenseite des Lebens zurück zu kämpfen? Das Autoren-Team Christina und Christian Boss hat Biografien von 20 Schweizer Persönlichkeiten erstellt. Dabei handelt es sich um Persönlichkeiten, die wir in den Medien vor allem von ihrer Sonnenseite her kennengelernt haben. Wie haben diese „Promis“ ihre Abstürze verkraftet? Wie haben sie aus dem „Tal der Tränen“ wieder herausgefunden? Unter den 20 porträtierten prominenten Schweizer Persönlichkeiten befinden sich auch zwei Oberwalliser. Es sind dies Daniel Albrecht und Kevin Lötscher.

„Die tragischen Schicksale und die unterschiedlichen Lebenswege zeigen, dass es immer wieder aufwärts geht. Denn, wo ein Wille ist, ist immer auch ein Weg und ein vorsorglicher Engel wird uns alle stets begleiten.“

Christina Boss und Christian Boss im Buch „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“.

Daniel Albrecht ist im Buch als „der grosse Stolz des Walliser Volkes“ porträtiert. 2007 wurde er im schwedischen Are als Weltmeister in der Super-Kombination gefeiert, dazu als Vizeweltmeister im Riesenslalom und als Bronzemedaillengewinner im Teamwettbewerb. Seine ersten Siege im Weltcup feierte er in der Super-Kombination und im Riesenslalom in Beaver Creek. Ein starkes Zeichen setzte der 25-jährige Alleskönner alsdann mit dem Sieg im Riesenslalom von Alta Badia. Am Ende der Saison 2008 räumte er mit zweimal Gold an den Schweizer Meisterschaften tüchtig ab.

Absturz, Comeback und ein neues Leben. Absturz ins „Tal der Tränen“: Es ist der 22. Januar 2009. Abschlusstraining zur klassischen und berüchtigten Abfahrt in Kitzbühel. Mit über 140 km/h rast Daniel Albrecht auf den Zielsprung zu. Dann gehen bei ihm die Lichter aus. Er stürzt so heftig, dass bei ihm ein schweres Schädel-Hirn-Trauma diagnostiziert werden muss. Dazu Risse und Einblutungen sowie eine Lungenquetschung. Daniel Albrecht muss in ein künstliches Koma versetzt werden. Sein Zustand ist lebensbedrohlich. Nach drei Wochen erwacht er aus dem Koma. Die Erinnerungen an den fatalen 22. Januar 2009 sind für immer weg. Dies erleichtert ihm den Verarbeitungsprozess. 682 Tage nach dem Unfall, am 5. Dezember 2010, gibt Daniel Albrecht sein Comeback im Weltcup. Rang 21 in Beaver Creek. Doch Albrecht muss alles neu erlernen. Er gibt heute den Trainern die Schuld, dass das Comeback keine Fortsetzung fand. „Hätten mich die Trainer einfach machen lassen, hätte ich selbst gemerkt, was geht“, bedauert er. Trainer und Verband hatten Zweifel und strichen ihn kurzerhand aus dem Kader. „Das war eine brutale Ohrfeige“, resümiert Albrecht. Doch einer wie Albrecht erfindet sich immer wieder neu. „Der, der nach den Sternen griff, baut jetzt Mondhäuser“ – dies nur eine der Schlagzeilen, welche die Presse für sein neues Leben erfand. Bereits vor dem fatalen Sturz hatte er mit der Kleiderlinie „Albright“ ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut.

„Aufgeben verboten!“ Was uns Persönlichkeiten wie Daniel Albrecht lehren? Lass dich von nichts und von niemandem von deinem Weg abbringen! Das Leben geht immer weiter, irgendwie. Wer einmal Lunte gerochen hat, der rockt in allen Belangen von einer Erfolgswelle zur nächsten. Natürlich hat man nicht immer einen Einfluss auf alles. Manches passiert einfach. Aber es liegt an uns, immer das Beste aus jeder noch so vertrackten Situation zu machen.

„Ich bin überzeugt, plötzlich wieder einen grossen Wurf landen zu können. Denn wie heisst es doch so treffend in meinem Lieblingszitat von Hermann Hesse: Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“

Daniel Albrecht im Buch „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“.

Kevin Lötscher hat sich ebenfalls aus dem „Tal der Tränen“ herausgekämpft. Im Jahr 2011 wurde der hoffnungsvolle Eishockey-Spieler von einem Auto erfasst und 30 Meter durch die Luft geschleudert. Auch er hatte ein Schädel-Hirn-Traum zu bewältigen. Und auch er überlebte dank dem kategorischen Imperativ: „Glaub an dich!“ und „Hör auf mit dem Jammern und nimm dein Leben selbst in die Hand!“ Was er so alles unternommen hat, um aus dem Tal der Tränen herauszufinden, und wie er seinen grossen Traum, seine Vorliebe fürs Reisen, in die Tat umzusetzen gedenkt, all das ist nachzulesen im eindrücklichen und äusserst berührenden Buch „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“ von Christina und Christian Boss.

Christina und Christian Boss: Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter. Friedrich Reinhardt Verlag, Basel 2020, 379 Seiten. ISBN 978-3-7245-2435-9.

Wahr, echt, ungekünstelt und berührend. Es ist wohl ein Zufall, dass aus dem Deutschwallis im Buch die Porträts zweier Sportler Eingang gefunden haben. Das Autoren-Team hat die 20 Schweizer Persönlichkeiten nämlich aus diversen Gebieten herausgesucht. Da findet sich beispielsweise auch die Politikerin Jacqueline Badran, die einen Lawinenniedergang und den Crossair-Absturz bei Bassersdorf überlebte. Oder der Bauchredner Kliby, der nach überstandener Krebserkrankung am offenen Herzen operiert werden musste. Oder Musiker und Chordirigent Bo Katzman, der nach einem Töff-Unfall dem Tod von der Schippe sprang.

„Stürze dich hinein in die Ekstase des Lebens, man weiss ja nie, ob dieser Tag dein letzter ist.“

Bo Katzman im Buch: „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“.

Persönlich hat mich das Buch von Christina Boss und Christian Boss nicht nur berührt, sondern auch überzeugt. Dies vor allem durch die detailgetreuen und intensiven Recherchen des Autoren-Teams. Das Ergebnis sind Biographien, fern von jeglicher Effekthascherei. Nur allzu viele Promi-Biographien sind heutzutage boulevardesk aufgemotzt und senden kaum brauchbare Botschaften an die Leserschaft. Davon hebt sich der Sammelband „Im Tal der Tränen und das Leben geht weiter“ sehr wohltuend ab. Eine gewinnbringende Lektüre für all jene, die Ehrlichkeit und Offenheit schätzen. Die Sonnenseite des Lebens präsentiert sich uns nicht von alleine. Das eigene Dazutun und die eigene Mitbestimmung, gepaart mit Optimismus und mit einem tiefen Glauben an das Gute, sind dazu vonnöten.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Buch „Im Tal der Tränen“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Rafael Heinen)

Herzliche Gratulation! Moderator Rafael Heinen hat das Buch am Radio mit grossem Erfolg verspielen können. Sehr viele Leute haben angerufen. Gewinnerin ist Frau Uschi Bitz aus Gampel. Herzliche Gratulation!

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig