
Wer ob all des Festagsrummels die etwas andere Spannung sucht, wer sich dem berüchtigten Festtags-Koller oder gar dem Festtags-Blues entziehen möchte, dem sei festlicher Nervenkitzel in Buchform empfohlen.
Das Abtauchen zur Weihnachtszeit in so ganz anders geartete Welten hat in der Literatur eine lange Tradition. Wahre Renner im weihnachtlichen Buchgeschäft seit Jahren sind etwa Hakan Nessers Erzählungen «Das unerträgliche Weiss zu Weihnachten und andere winterliche Morde» oder Alfred Bekkers «Krimi Weihnachten» mit 24 Krimis.
Zwar nicht mit dem üblichen Weihnachts-Setting, aber immerhin pünktlich zur diesjährigen Weihnachtszeit vertreibt der angesagte Psychothriller «Mein Nachbar» von Sebastian Fitzeck den Bammel vor den Festtagen und holt dafür künstlichen Horror in die eigene Wohnung.
Fitzecks Psychothriller «Mein Nachbar» lässt das ansonsten übliche Weihnachts-Setting ganz offensichtlich vermissen, denn der Horror lebt ganz gewöhnlich neben dir, in deinen eigenen vier Wänden, getrennt nur durch eine dünne Wand, und dies nicht nur zur Weihnachtszeit.
Die Protagonistin in «Mein Nachbar» heisst Sarah, und die leidet an Monophobie, an der Angst vor dem Alleinsein. Was sich da zuerst nach einem weit verbreiteten und psychologisch erklärbaren Weihnachts-Blues anhört, dient jedoch dem geheimnisvollen Nachbarn von nebenan, er ist das Böse schlechthin.
Für Sarah wird bald einmal klar: Irgendjemand aus ihrer unmittelbaren Nähe nützt ihre eigene Verletzlichkeit, ihre Angst vor dem Alleinsein, ihre Monophobie, gnadenlos aus, sodass beim Lesen selbst abgebrühten Thriller-Fans der Schrecken eiskalt den Rücken hinunterläuft.
Und dabei hatte alles doch so freundnachbarlich angefangen. Der nette Nachbar giesst Sarahs Blumen, er montiert ihr gar ein Nachttischlämpchen. Ist er nicht so unglaublich lieb und nett, der Nachbar von nebenan?
Doch dann kippt das Setting. Der Nachbar ist nun plötzlich immerzu Sarahs Begleiter, er ist neben ihr, Tag und Nacht, sichtbar und auch unsichtbar. Und mit dem Nachbarn hält auch das Böse Einzug neben Sarah. Denn der Nachbar ist das Böse. Sarah lebt mit dem Bösen an ihrer Seite.
Der Psychothriller «Mein Nachbar» weckt durchaus auch Assoziationen zu Phänomenen, die unsere Gesellschaft aktuell beschäftigen und belasten. Dazu gehört etwa die Dauerverfügbarkeit von uns allen. Die Erreichbarkeit eines jeden und einer jeden von uns ist beinahe grenzenlos geworden. Ein Anruf genügt, die sozialen Netzwerke schaffen ungehindert Kontakte.
Der Psychothriller «Mein Nachbar» zerstört den Mythos von der Sicherheit, welche die eigenen vier Wände anscheinend bieten. Dazu ist keine Weltverschwörung vonnöten, sondern bloss eine Türe, die leider nur allzu oft vertrauensvoll unverschlossen bleibt. Und es braucht einen Menschen, der die Nähe zu anderen Menschen machtvoll und gefährlich ausnützt.
«Mein Nachbar» ist ein alltagsnaher Fitzeck, ein Psychothriller, wie ihn das Leben selbst hätte schreiben können. Nachdem die letzte Seite gelesen ist, bietet das Buch viel spannenden Gesprächsstoff.

Sebastian Fitzeck, geboren 1971 in Berlin, gilt als erfolgreichster deutscher Psychothriller-Autor der Gegenwart. Nach seinem Jura-Studium mit der Promotion in Urheberrecht, holte er sich als Redaktionsleiter im Radiobetrieb das Rüstzeug zum Spannungs-Handwerk. Seine Werklinie ist geprägt von alltagsnahen Settings und psychologischen Grenzlagen. Seine Thriller überraschen durch späte Kehrtwendungen, sogenannte Twists. Seine Bücher erscheinen in 36 Ländern und haben sich beinahe 20 Millionen Mal verkauft.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig