Aus dem Lyrikband „längst fällige verwilderung“ performten Simone Lappert und Martina Berther in der Briger Buchhandlung ZAP* originelle Gedichte und Gespinste. Es waren Texte dabei über Aufbrüche, Abschiede, Sehnsüchte, Selbstbestimmung und über die fragile Gegenwart. Völlig überraschend war die Begleitung der Texte durch die versierte E-Bassistin Martina Berther. Ihr gelang es, die inhaltlichen Motive der Gedichte nicht nur aufzugreifen, sondern zusätzlich auch noch zu kontrastieren, mit einer Geräuschkulisse zu färben und ihnen eine eigene Dynamik zu verleihen.
Onomatopoesie ist ein literaturtheoretischer Begriff, der gut umschreibt, was wir von Lappert / Berther zu hören bekamen. Der Begriff „Onomatopoesie“ leitet sich her von „noma“ (Namen) und „poiesis“ (das Machen). Frei übersetzt: Das Namengeben oder Wortbilden. Es handelt sich um eine Art von Lautmalerei, bei der Geräusche, Klänge oder Naturlaute sprachlich nachgeahmt werden. Einzelne lautmalerische Ausdrücke lassen sich als „Onomatopetika“ bezeichnen. Immer geht es dabei um die Nachahmung von nicht-sprachlichen Lauten durch Sprache. Die Klangmalerei ist ein Stilmittel der Rhetorik, das in vielen literarischen Gattungen Anwendung findet. Grundsätzlich beschränkt sich die Wiedergabe sinnlicher akustischer Eindrücke auf Wörter und Sätze. Die „Spoken Poetry Performance“ von Lappert / Berther nahm eine Trennung von Inhaltlichem und Lautmalerischem vor. Begleitend zu den Gedichten und Gespinsten von Simone Lappert steuerte Martina Berther die Onomatopetika als E-Bassistin bei.
Simone Lapperts Gedichte und Gespinste erschliessen sich oft nicht auf das erste Zuhören hin. Dies hängt auch damit zusammen, dass sie sich als grossartige Wort-Artistin gibt. Im Text „familienfest“ etwa: „dein vater wappnet sich eh und je mit zahnfleischlachen“. Oder in „frage“: „es lückt und lückt, überall, wie von gezogenen Zähnen“. Die Poetin holt ihre Zuhörer nicht selten wieder herunter aus dem Himmel voller Geigen auf den hartgebackenen Erdboden mit Zwischenrufen wie: „entschuldigung, wo kann ich hier unbemerkt scheitern?“ Oder mit einer verblüffenden psychiatrischen Selbstanalyse: „ich wehre mich nicht, ich roste“. Nicht alle Texte hören sich bei Lappert / Berther so an, wie sie im Poesie-Band niedergeschrieben sind. Dem Text „glühmotten“ mischte die Autorin ein gehöriges Mass an Dynamik bei, indem sie Sätze, Teilsätze und Wörter gleich mehrfach akzelerierend wiederholte:
wir wissen beide nicht, wonach wir suchen, / sind streunende motten im gedimmten licht, / picken zwischen salznüssen sätze, / sachte, nicht zu viele auf einmal, / sind froh um den regen, der uns verzögert: / noch ein glas, noch eine bahn, noch ein satz / zwischen den nüssen, tasten uns die tischkante lang…
Textstelle aus „glühmotten“ von Simone Lappert
„Ans Eingemachte“ geht Simone Lapperts Lyrik oftmals. Das Ende einer Liebe kündigt sich an in „hygienisch ausgekochten herzkammerwänden“ und wird zur „essigliebe“. Zuweilen unterbricht die Poetin derart ernüchternde Lyrik mit Zwischenrufen, die aufschrecken: „entschuldigung, wo kann ich hier unverschämt scheitern?“ Es handelt sich dabei um die Variation eines Satzes von Sophie Hunger, die in einem Interview gesagt haben soll, Berlin sei eine Stadt, in der man noch ungestört scheitern könne.
Sinnlich, verwunschen und vertröimt gibt sich die Autorin zwar selten, wenn aber, dann mit voller Hingabe. So etwa in „lieblingsmensch“: Da stürzt sich die Ich-Erzählerin „in deinen brombeerblick“, sie will gar „wurzeln schlagen hinter deinen ohren“. Und sie möchte „moosraufen und mohnwälzen mit dir“ und „ohne adresse hausen am hang.“ Die rhetorische Frage sei erlaubt: Gibt es eine schönere Liebeserklärung an einen Leblingsmenschen als diese: „ich will dir sämtliche monde kaufen, eine veranda und einen schaukelstuhl, ich will dich einatmen und aussprechen, mich rau reden an dir.“ Lässt sich Liebe und Zuneigung besser verpacken als in diese wundervollen Versprechen?
Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig