Online-Portale sind angesagt. Zuweilen scheint es so, als ob das digitale Lesen das Lesen von gedruckten Texten verdrängen würde. Ist aber das Lesen von digitalen Texten und das Lesen von traditionell gedruckten Texten das gleiche Lesen? Forschungen der Goethe-Universität Frankfurt und der Technischen Universität München kommen zu überraschenden Schlüssen und Ergebnissen.
Für beide Arten des Lesens ist eine ganz eigene und besondere Lesekompetenz erforderlich. Digitale Texte lesen wir eher selektiv und sprunghaft, wir überspringen nicht selten grössere Passagen. Die spezifischen Anforderungen, welche digitale Texte an Leserinnen und Leser stellen, beherrschen insbesondere Schülerinnen und Schüler bedeutend schlechter. Oder anders formuliert: Eine Mehrheit der Leserinnen und Leser beherrscht das Lesen von traditionell gedruckten Texten auf einem Blatt Papier, auf Zeitungs-Papier oder in einem gedruckten Buch viel besser. Dieses überraschende Ergebnis ist zurückzuführen auf die Tatsache, dass wir digitale Texte oberflächlicher lesen und dabei auch immer grössere Passagen überspringen.
Ein überraschendes Ergebnis: Wer häufig digitale Texte liest, zum Beispiel auf dem PC, auf dem Handy oder in anderen digitalen Medien, der verfügt keineswegs über eine bessere Lesekompetenz bezüglich der digitalen Medien. Die Verfügbarkeit und der häufige Gebrauch von digitalen Geräten ist bedeutend weniger relevant als man bisher vermutet hatte. Im Gegenteil: Wer häufig digital liest, der hat mit der Zeit sogar eine schlechtere Lesekompetenz. Eine Rolle spielt jedoch die persönliche Einstellung, die wir als Lesende gegenüber den Informations- und Kommunikations-Technologien ganz allgemein haben. Eine gute digitale Lesekompetenz ist nicht selten zurückzuführen auf eine positive Einstellung gegenüber den neuen Technologien.
Auf den Punkt gebracht: Die meisten von uns lesen einen gedruckten Text oder ein gedrucktes Buch mit mehr Verständnis, mit mehr bleibenden Erinnerungen und mit mehr Informationsgewinn als dies bei digitalen Texten, beispielsweise bei Online-Medien oder bei einem E-Book, der Fall ist.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig