„Wenn die Sonne nicht wiederkäme“ – Charles Ferdinand Ramuz‘ prophetische Klima-Romane

Topaktuell und gefragt sind wieder die Klima-Romane von Ramuz „Wenn die Sonne nicht wiederkäme“ und „Bergsturz auf Derborence“. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Seit dem 20. März scheint die Sonne wieder länger, der Frühling ist kalendarisch eingeläutet. Was aber wäre, wenn die Sonne nicht mehr wiederkäme? Der Schriftsteller Charles Ferdinand Ramuz hat darüber einen Roman geschrieben, der mittlerweile auch erfolgreich verfilmt worden ist von Regisseur Claude Goretta. Dreissig Jahre sind bereits ins Land gezogen, seit der Film erfolgreich in unseren Kinos lief. Nun aber, unter dem Druck der spürbaren Klimaveränderungen und der Erderwärmung, sind Ramuz‘ prophetische Romane wieder aktuell und angesagt.

„Wenn die Sonne nicht wiederkäme“ spielt in einem kleinen Bergdorf auf der Schattenseite des Walliser Tals, hoch über der Rhone. Sechs Monate im Jahr verirrt sich kein einziger Sonnenstrahl bis ins Bergdorf. Ein alter, weiser Gelehrter lebt daselbst, und er prophezeit den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, dass, gemäss seinen Berechnungen, die Sonne nach dem 13. April nie mehr scheinen werde. Und das bedeute dann auch das Ende der Welt. Das ganze Dorf werde in einen ewigen Winter versinken. Und mehr noch: Ohne Licht und ohne Wärme würden dann auch die Herzen der Menschen erkalten. Streit und Krieg würden dann das Ende der Menschheit und das Ende der Welt besiegeln.

Die Dorfbewohner sind verzweifelt ob der Prophezeiung des weisen Mannes. Todesangst beschleicht die Dorfbewohnerinnen und -bewohner. Ein altes Ehepaar legt sich ins Bett und wartet gottergeben, bis dass der Tod sie holt.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt! Eine Liebe lässt neue Hoffnung auflackern. Isabelle und Jean glauben an ihre Liebe, auch wenn es sich bei ihrer Liebe um eine verbotene Liebe handelt. Denn Isabelle ist verheiratet. Zusammen mit ihrem Liebhaber kämpft Isabelle gegen die Hoffnungslosigkeit und gegen die Verzweiflung an.

Schliesslich naht der gefürchtete 13. April, an dem die Sonne nicht mehr wiederkommen sollte, so wie dies der weise alte Mann vorausgesagt hatte. Würde die Welt nun untergehen? Oder kann die heimliche Liebe zwischen Isabelle und Jean die Sonne zurückholen? Das Ende des Romans ist wundervoll, grandios und zauberhaft. Unbedingt wieder mal lesen: „Wenn die Sonne nicht wiederkäme“ in deutscher Sprache oder im Original auf Französisch: „Si le soleil ne revenait pas.“

Die unheimliche Kraft der Natur spielt im Werk von Jean Ferdinand Ramuz eine wichtige Rolle. Im Wallis spielt auch sein zweiter Klima-Roman mit dem Titel „Der Bergsturz auf Derborence“. Wer schon mal von Conthey bei Sitten hinauf zum Derborence-Tal hochgefahren ist, der kann immer noch die verheerenden Spuren sehen, die der Bergsturz aus dem Jahr 1714 hinterlassen hat. Das Dorf Derborence wurde dannzumal fast vollständig unter den Gesteinsmassen begraben. Mehr als 50 Chalets sind unter Geröll und Schlamm verschwunden.

In „Der Bergsturz auf Derborence“ beschreibt Ramuz die fürchterlichen Szenen, die sich damals im Dorf abgespielt haben sollen. Der Roman ist kürzlich auch als Comic erschienen. Ramuz‘ Romanstory ist eine Warnung, eine Prophezeiung, auch an unsere heutige Zeit. Auch heute wieder fühlen sich die Menschen in den Bergen bedroht, insbesondere durch die Veränderungen des Klimas, häufig verursacht durch das Wegschmelzen des Permafrostes.

Hören Sie dazu den Podcast aus der Sendung Literaturwälla auf Radio Rottu Oberwallis. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Tiziana Imoberdorf / Simon Kalbermatten)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig