Eine Bilanz unseres Besuchs an der Frankfurter Buchmesse fällt reichhaltig aus. Nach den Jahren der Pandemie war die weltweit grösste Buchmesse in diesem Jahr so stark besucht wie lange nicht mehr. Fast 100’000 Fachbesucherinnen und -besucher und ebenso viele Privatbesucher hatten sich von 4000 Ausstellern aus 95 Ländern inspirieren und informieren lassen. Es ist nun keineswegs so, dass die Literatur-Interessierten nur einfach so durch die Hallen geschlendert wären. Für uns Fachbesucher waren rund 500 Arbeitsplätze reserviert. Dort liessen sich wertvolle Kontakte knüpfen mit Autor*innen, aber auch mit Verlagen und mit Persönlichkeiten jeglicher Provenienz, vom ausgekochten Profi bis zur vielversprechenden Debütantin.
Die weltpolitische Lage hatte einen Einfluss auf zahlreiche Angebote. So politisch wie in diesem Jahr war die Buchmesse noch nie. Politiker, Kulturschaffende, Autorinnen und Übersetzer diskutierten engagiert in Foren und auf Podien über die Protest-Bewegung im Iran, über die Menschen in der Ukraine, über Spaltungs-Tendenzen in unserer Gesellschaft und über die russische Opposition. Besonders auf dem politischen Parkett hat die Frankfurter Buchmesse wichtige Impulse vermittelt. Zu all den brandaktuellen Themen zur politischen Lage kamen auch tiefschürfende Bücher vorgelegt, Bücher, die konstruktiv und kreativ Wege aufzeigen, die das Potenzial haben, uns aus der bedrückenden und fatalen weltpolitischen Situation herauszuführen. Wichtige Impulse für die Gesellschaft und für die Weltpolitik konnte mitnehmen, wer irgendwo an den Schalthebeln der Macht sitzt, und sei dies auch nur als Bürgerin oder als Bürger.
Die Buch-Branche hat sich in Frankfurt wieder mal neu erfunden. Die Buchhändler, Verleger und Literaten haben sich in sogenannten „Literary Agents“ and „Scout Centres“ getroffen, wo sie mit Sicherheit den Literaturbetrieb der kommenden Monate aufgegleist haben. Erstmalig hat sich in Frankfurt auch die „BookTok-Community“ präsentiert. Dabei handelt es sich um eine Branche, die mit Geschichten und Büchern in Form von Videos viral geht. Die Zahl der weltweiten BookTok-Video-Aufrufe hat zurzeit bereits schon 84 Milliarden erreicht.
Das gedruckte Buch ist trotzdem nach wie vor angesagt und führt die Liste der beliebtesten Medien an. Das Buch steht ganz am Anfang der Vermarktung seitens der Medien. Ein Buch zu schreiben, das ist ein Traum zahlreicher Menschen jeglicher Provenienz, ob Promis oder Debütantin.
Persönliche Vorlieben und Highlights aus der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gibt es viele. Dazu gehören an erster Stelle bestimmt die vielen Gratulationen, die man als Schweizer entgegennehmen durfte. Die Schweizer Literatur hat in Frankfurt für Aufsehen gesorgt. Angeführt von unserem frischgebackenen Literatur-Star Kim de l’Horizon, der in Frankfurt die Rolle eines echten Abräumers inne hatte. Alle wollten ihn sehen und viele wollten mehr wissen über sein „Blutbuch“, das in keiner Frankfurter Buchhandlung mehr vorrätig war. Aber auch als wenig bekannter Schweizer Autor war man in Frankfurt herzlich willkommen. Persönlich war ich mit meinen aktuellen Büchern eingeladen beim Hessischen Rundfunk. Die Medien waren offen für Entdeckungen, für frischen Wind, für Neuerscheinungen aus der Schweiz. Wer selbst Lesenswertes zu präsentieren hatte, der fand überall ein offenes Mikrofon vor.
Nicht nur Bestseller-Autor*innen sind gefragt. Im Gegenteil. Viele Verlage und Literatur-Agenten sind offen und diskussionsbereit für frische Ideen. Zum Beispiel auch für das weite Feld der Fantasy-Literatur, die hier bei uns eher ein Schatten-Dasein fristet. In Frankfurt bekommen auch Debütantinnen und Debütanten eine Chance. Auf eigens eingerichteten Foren und Podien können und dürfen sich Debütant*innen präsentieren. Auf einer derartigen Debütanten-Bühne, sie nennt sich „Open Books“, war der Berliner Karim Khani z erleben, ein gebürtiger Iraner, der die aktuelle Weltpolitik unglaublich spannend und aus erster Hand zwischen Buchdeckeln präsentiert.
Promis und Berühmtheiten verleihen der Frankfurter Buchmesse so etwas wie Glanz und Gloria. Von der First Lady aus der Ukraine, Olena Selenska, bis zu Thriller-Autoren wie Sebastian Fitzeck, TV-Stars wie Bärbel Schäfer, Pop- und Rock-Titanen wie Peter Maffay und bis zu unserem Schweizer Bilderbuch-Autor Markus Pfister, dessen „Regenbogenfisch“ seit Jahr und Tag eine internationale Lesegemeinde in seinen Bann zieht. Sie alle präsentierten ihre Bücher, gedruckt auf Papier und mit prächtigen Covern. Und dies, obschon ja eigentlich den Berühmtheiten alle elektronischen Medien offenstehen würden. Wer dem gedruckten Buch schon den Untergang prophezeit hatte, der wurde in Frankfurt – einmal mehr – eines Besseren belehrt.
Für mich persönlich ist und bleibt die Frankfurter Buchmesse ein zauberhafter Fundus von Geschichten, ein Ort für spannende Begegnungen mit Freundinnen und Freunden aus der Welt der Literatur, aber auch eine Quelle für faszinierende Literatur-Tipps, die ich als Literatur-Experte sehr gerne bei Gelegenheit an die Hörerinnen und Hörer, an die Leserinnen und Leser, weitergeben werde.
Text, Bild und Radiosendungen: Kurt Schnidrig