Zum Weltfrauentag am 8. März: Aufarbeitung und Wiedergutmachung im Wallis

Ein düsteres Bild des früheren Wallis mit häuslicher Gewalt und mit Misshandlungen beschreibt Sarah Jollien-Fardel in ihrem Roman „Lieblingstochter“. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Die MeToo-Bewegung hat zu einer Flut von Büchern geführt, die das Trauma von misshandelten Frauen aufarbeitet. Auch in unseren Bergdörfern. Die Walliser Journalistin Sarah Jollien-Fardel beschreibt häusliche Gewalt in einem Walliser Bergdorf. Die Autorin arbeitet auch in einem Frauenhaus und kennt das Leiden misshandelter Frauen aus Erfahrung. In ihrem Roman-Erstling „Lieblingstochter“ zeichnet sie ein düsteres Bild vom Wallis in früherer Zeit.

Eine Walliser Familie, in der die Frauen unterdrückt wurden und Inzest an der Tagesordnung war, steht im Zentrum des Romans „Lieblingstochter“. Das Buch vermittelt ein Bild von einem Wallis, in dem Kirche und Religion vieles, was an Missbräuchen und Gewalt geschehen ist, unter dem Mantel der Verschwiegenheit vertuscht hatten. Das Roman-Geschehen spielt sich in den 1970er Jahren ab. Seither sei zwar einiges besser geworden, ist zu lesen. Die Frauen aber, die damals Schlimmes erleben mussten, haben bis heute ihre Traumata zu verarbeiten.

Die Romanstory in „Lieblingstochter“ spielt sich in einem Walliser Dorf ab. Ein Familienvater schlägt seine Frau und die beiden Töchter, er missbraucht eine der Töchter sexuell. Die Frauen wehren sich nicht. Die Mutter flüchtet sich in die Phantasiewelt von Romanen. Ihren Mann zu verlassen, das schafft sie nicht. Eine Scheidung wäre im damals erzkonservativen und erzkatholischen Milieu des Wallis unmöglich gewesen.

Dennoch weiss das ganze Dorf, was sich hinter den Hausmauern, in den eigenen vier Wänden der misshandelten Familienmitglieder abspielt. Und alle schweigen. Aus dieser traumatischen Situation möchte Jeanne, eine der beiden Töchter, ausbrechen. Sie möchte neue Wege beschreiten und auch anderen Frauen in ähnlichen Situationen helfen.

Der Roman „Lieblingstochter“ zeigt, wie stark Ohnmacht, seelische Verletzungen und Ängste eine Frau auch noch Jahrzehnte nach einem Missbrauchsfall belasten können. Auf 200 Seiten beschreibt Sarah Jollien-Fardel die Schwierigkeiten, sich eine neue Gegenwart und eine neue Zukunft zu erschaffen. Die Autorin schreibt mit Wut im Bauch. Das Wallis dieser Zeit hat bei ihr keine guten Erinnerungen hinterlassen. Wohl auch deshalb, weil die Frauen nicht die gleichen Rechte hatten wie die Männer.

Das Buch von Sarah Jollien-Fardel ist keine leichte Lesekost. In Frankreich ist der Roman mit dem Originaltitel „Sa préférée“ 50’000mal verkauft worden. Der Bestseller ist auch in deutscher Sprache mit dem Titel „Lieblingstochter“ erhältlich.

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig