Die Faszination der Gornergrat Bahn, erzählt in 125 Geschichten

Isabelle von Roten und Helmut Biner erzählen von der Faszination der Gornergrat Bahn in 125 Geschichten. (Bild: Kurt Schnidrig)

Zum Jubiläum der ersten elektrischen Zahnradbahn ein Buch über Historie, Meilensteine, Menschen und Natur am Gornergrat.

Von Walt Disney bis Bollywood – dem Gornergrat und seiner Bahn hat in den vergangenen 125 Jahren die Prominenz aus aller Welt die Referenz erwiesen. Angefangen mit Lucy Walker, der ersten Frau auf dem Matterhorn, bis zum japanischen Prinzen Takamatsu. Vom Walzerkönig Richard Strauss über Königin Margarethe von Italien bis zum amerikanischen Schriftsteller Mark Twain, der sich von Bergsteigenden Inspiration holte für eine literarische Interpretation der Besteigung des Riffelbergs. Ihre Geschichten hinterlassen haben sie alle.

Verantwortlich dafür, dass der Glamour auf den Berg kommt, ist die Gornergrat Bahn. Jedes Jahr lassen sich Prominente aus aller Welt auf den Gornergrat befördern, um die atemberaubende Natur und die unvergleichliche Atmosphäre zu geniessen. So war der Gornergrat auch Drehort für viele Filme. Etwa für die BBC Serie „The Night Manager“, für „Love and Bullets“ mit Charles Bronson oder für Bollywood-Produktionen.

Der Gornergrat und die Gornergrat-Bahn sind aber mehr als lediglich Kulisse. Isabelle von Roten, Journalistin und Mitautorin des Jubiläumsbuchs, gerät ins Schwärmen: Filme über die Eisenbahn-Romantik am Gornergrat hätten längst schon die Herzen der Kinobesucher erobert, erzählt sie. Auch zum 125-Jahre-Jubiläum sei eifrig gedreht und produziert worden.

Helmut Biner hat über dreissig Jahre für die Gornergratbahn / MGB als Werbeleiter und Kommunikator gearbeitet. Seine Augen leuchten, wenn er sich zurückerinnert. „Ich denke an Menschen, die das erste Mal in ihrem Leben auf dem Gornergrat Schnee gesehen haben.“ Helmut Biner hat während seiner Zeit in Diensten der Gornergrat Bahn viel erlebt. Es sind Geschichten aus seinem Berufsleben, die faszinieren. Schwierig, aus dem Fluss der Erinnerungen eine Perle herauszupicken.

Mit Begeisterung erzählt uns Helmut Biner beispielsweise von Claude Nicollier, dem Astronauten. 1992 war Nicollier als erster Schweizer im Weltall. Zuvor hatte Claude Nicollier als junger Student der Astrophysik auf dem Gornergrat gearbeitet. Helmut Biner gelang es, Claude Nicollier zu überreden, beim nächsten Flug ins All zwei Steine vom Matterhorn mitzunehmen. „Das war nicht einfach“, blickt Helmut Biner zurück, „denn bei einem Ausflug ins All zählt jedes Gramm.“ Claude Nicollier nahm die Steine mit ins All, umrundete damit 160mal die Erde. Die Steine brachte er zurück, bestieg das Matterhorn, zerschlug dort einen der Steine, damit er nicht gestohlen werden könne. Der zweite Stein ist heute im Museum Zermatlantis in Zermatt zu besichtigen.

Zwischen 1896 und 1898, in nur zwei Jahren, wurde die erste elektronische Zahnradbahn der Schweiz, erst die dritte weltweit, erbaut. Wegen der Höhenlage war die Bauzeit zwischen der Schneeschmelze und dem Wintereinbruch äusserst kurz. „So einen Pioniergeist kann man sich heutzutage kaum mehr vorstellen“, gerät Helmut Biner ins Schwärmen. „Vieles vom damaligen Pioniergeist ist bis heute geblieben. Wir versuchen, die Produkte und die Technik weiter zu entwickeln.“

Die technische Entwicklung verlief rasant. Helmut Biner erinnert sich an innovative Meilensteine. Die Bahn sei zuerst als reine Sommerbahn gebaut worden. Die Fenster, die Dichtungen, nur eine Eingangstüre… alles sei einzig auf den Sommer ausgerichtet gewesen. Als der Wintertourismus aufkam, hätte die Gornergrat Bahn aufrüsten müssen. Die Bahn sei zu niedrig gebaut worden für die damals gebräuchlichen überlangen Skis.

Ein weiterer Meilenstein war der erste Triebwagen, der für den Ganzjahresbetrieb designt wurde. Mit grossen Fenstern für die Aussicht, mit drei Türen zum Aus- und Einsteigen, was für die Skifahrer besonders wichtig ist. Ein weiterer Meilenstein war die Einführung der Doppeltriebwagen. Die Geschwindigkeit wurde erhöht, der Komfort verbessert.  

Die Verantwortlichen der Gornergrat Bahn setzten damals nicht auf Dampf, obwohl die meisten Bahnen damals ja noch mit Dampf gefahren waren. „In den Bergen hatten wir zwar Wasser und Wasserkraft. Aber auch schon damals habe die Stromknappheit zu Engpässen geführt“, erzählt Biner. Die Rekuperation löste das Problem weitgehend: Die Bremsenergie erzeugt Strom beim Bergabfahren. „Drei Züge, die talwärts fahren, erzeugen Strom für einen Zug, der bergwärts fährt“, erläutert Helmut Biner.

Einen zauberhaften Fundus von Geschichten liefert die Natur am Gornergrat. Bereits 1878 hatte Mark Twain in sein Tagebuch geschrieben: „Von keiner anderen zugänglichen Stelle kann man eine solch gewaltige Anlage schneeiger alpiner Grösse und Erhabenheit überblicken.“ Ist nun aber die Natur am Gornergrat aufgrund der Klimaerwärmung und der absehbaren Klimakatastrophen gefährdet? Fernando Lehner, Direktor der Matterhorn Gotthard Bahn und der BVZ Holding AG, sagt: „Die Ausrichtung des Gornergrats als naturnaher Ausflugs- und Erlebnisberg steht im Zentrum des Zielbilds 2030.“  Eine Reise zum Gornergrat solle weiterhin ein so eindrückliches Erlebnis sein, wie es Mark Twain 1878 beschrieben hatte.

Ob sich die Natur am Gornergrat auch weiterhin vermarkten lässt? Helmut Biner ist davon überzeugt. „Die Natur steht im Zentrum. Die Natur, die Stille, die Aussicht.“ Das seien Trümpfe, die stechen. Auch wenn Biner eingestehen muss, dass sich vieles im Laufe der Zeit verändert hat. „Der Gletscher war früher, als Mark Twain auf dem Gornergrat war, 200 Meter höher“, blickt Biner zurück. Es gehe nun darum, eine sanfte Entwicklung weiterzuführen und eine hervorragende Technik zur Verfügung zu stellen.

Helmut Biners Zukunftsvision stimmt zuversichtlich: „Die imposante Bergwelt ist zum Glück immer noch da, sie bleibt uns erhalten. Diese Natur ist, nebst dem Skifahren und Wandern, der Hauptgrund, weshalb die Menschen den Gornergrat besuchen.“

Isabelle von Roten, Helmut Biner: Gornergrat Bahn – Faszination seit 125 Jahren. Erzählt in 125 Geschichten. Herausgeber: Gornergrat Bahn. www. gornergrat.ch. Das Buch ist erhältlich im Kiosk der Talstation Gornergrat Bahn, im Museum Zermatlantis, in ZAP* Buchhandlungen und bei Valmedia Visp.

Dieser Artikel erschien am 13.03.2024 auch im Walliser Bote. Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig