Int. Literaturfestival Leukerbad: „Frau Anna Kulp, bitte ziehen Sie für uns Bilanz!“

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Anna Kulp, Co-Leiterin des Int. Literaturfestivals Leukerbad, zieht für pomona.media eine durchaus erfreuliche Bilanz zur Ausgabe 2025 (Bild: Kurt Schnidrig)

Anna Kulp, Co-Leiterin des Internationalen Literaturfestivals Leukerbad, teilt sich seit Februar 2025 die Co-Leitung des Festivals mit Stephan Bader. Für pomona.media (Radio Rottu Oberwallis und Walliser Bote) blickt sie zurück auf das Internationale Literaturfestival 2025.

Interview: Kurt Schnidrig

Kurt Schnidrig: Blicken wir zurück auf den Freitag, einen literarisch reich befrachteten Tag. Der Tag begann in der Dala-Schlucht mit Mariann Bühler, dann Anna Weidenholzer mit Erzählungen, ein Wiedersehen mit Zora del Buono, der Schweizer Buchpreisträgerin, ich habe auch gestaunt über eine Bilingue-Präsentation mit der Autotrin Marie-Jeanne Urech, beeindrucken war die Botschaft der russischen Menschenrechts-Aktivistin Irina Scherbakowa, gefolgt von Perspektiven-Gesprächen: Lukas Bärfuss und Karl Schlögel unterhielten sich zur Frage: Was macht Amerika aus? Und wir waren auch bei den Jugendlichen von Leukerbad und von Crans-Montana, die ihren Schulhausroman vorgestellt haben – eine unglaublich breite Palette, wie bekommen Sie das alles zusammen, Frau Kulp?

Anna Kulp: Für das Programm war Hans Ruprecht ein letztes Mal verantwortlich. Er hat das Festival seit 2006 teilweise mit mir zusammen geleitet, die letzten drei Jahre hat er nur noch das Programm gemacht. Das alles ist also vor allem ihm zu verdanken und seinem grossen Netzwerk und seiner unglaublichen Weitsicht.

Für Sie persönlich? Was kommt bei Ihnen am besten an? Sind es die ganz Grossen, die Weltberühmten, oder sind es doch manchmal auch noch die Schüler?

Heute waren es ganz klar die Schülerinnen und Schüler aus Leukerbad und eine Schülerin, die trotz der schon begonnenen Ferien aus Crans-Montana hierherkam und an der Präsentation der Schulhausromane teilgenommen hat. Es war wirklich sehr schön zu sehen, mit wie viel Elan und Freude da gelesen wurde.

Und dennoch ist es ja ein Internationales Festival mit Autorinnen und Autoren aus allen Ländern – wie vertreten Sie, dass Sie auch Schülerinnen und Schülern hier eine Bühne bieten?

Wir sind ein Walliser Festival, also gehört auch der Walliser Nachwuchs ganz klar bei uns auf die Bühne. Die Begeisterung für Literatur weckt man am allerbesten damit, dass man die Türen weit aufmacht, auch für die Schülerinnen und Schüler hier vor Ort.

Joshua Cohen läuft leider nur im Stream, er konnte leider nicht hier sein, ein Wehrmutstropfen natürlich, und dennoch, Sie haben alles versucht?

Es hat uns die Nachricht erreicht, dass der Flughafen in Tel Aviv geschlossen wurde und dass Joshua Cohen und Lee Yaron leider nicht anreisen können. Wir machen normalerweise keine Zoom-Veranstaltungen, weil wir der Meinung sind, dass in Leukerbad Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt live hier sind und auch sehr nahbar sind. Doch in diesem besonderen Fall wollten wir der Situation in Israel Rechnung tragen. Auch das Engagement, das die Beiden an den Tag gelegt haben, hat uns überzeugt. Sie haben gesagt: Wenn ihr das technisch hinkriegt, dann machen wir das, auch wenn wir dazu in einen Schutzraum müssen, um eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten.

Frau Kulp, wir haben kurz zusammen gesprochen und Sie stellen fest, dass das Publikum sich in diesem Jahr ganz besonders zusammensetzt?

Wir sehen hier sehr viel mehr Walliser Publikum, wir hören mehr Walliserdeutsch. Wir sehen aber auch mehr französischsprachiges Publikum, das freut uns ganz besonders, weil es auch eines unserer erklärten Ziele war: Wir wollten die Türen weit öffnen für alle hier.

Es war dies die 29. Ausgabe. Was fehlt Ihnen noch an diesem Festival? Woran müsste man noch arbeiten?

Es ist sehr vieles perfekt, insbesondere, wenn ich an letztes Jahr denke, als das Wetter so furchtbar war. Das Wetter in diesem Jahr ist tatsächlich ein Geschenk, für das wir nun gar nichts können. Es gibt aber immer Dinge, an denen man arbeiten muss. Für uns ist es ganz klar, dass wir neben der Internationalität auch noch mehr niederschwellige Arbeit leisten müssen. Das ist eines der Ziele, die wir uns für die nächsten Jahre gesetzt haben. Da hat auch mein neuer Co-Leiter, Stephan Bader, sehr viel Freude daran. Da werden wir in den nächsten Jahren sehr schöne Sachen entwickeln können.

Nun hat ja Literatur verschiedene Funktionen. In meiner Wahrnehmung nimmt die Aktualität eine ganz besondere Stellung ein, indem Literatinnen und Literaten zu ganz aktuellen Themen Stellung beziehen. Ist das auch ein Standbein Ihres Festivals?

Auf jeden Fall. Es ist für uns sehr wichtig, dass wir hier einen Diskursraum bieten, der unaufgeregt, in Ruhe, fundiert, mit Profis besetzt, Möglichkeiten schafft, um sich über Themen in Ruhe auszutauschen und nicht so aufgeregt, wie es oftmals in den Social Media und auch an anderen Stellen passiert.

Und trotzdem bleiben auch immer wieder Ecken frei für schöne Erzählungen, für Poesie, für Lyrik. Was stellen Sie fest als Co-Leiterin? Was vor allem ist gefragt bei den Besucherinnen und Besuchern?

Die Besucherinnen und Besucher kommen nach Leukerbad, weil sie genau wissen, dass sie hier genau diese Mischung finden, und dass es hier was gibt fürs Herz, wo man auch mal herzhaft lachen darf, sich über schöne Geschichten freuen darf, wo die grossen Liebesgeschichten erzählt werden, wo es aber auch die Möglichkeit gibt, sich vertieft in etwas hineinzugeben und sich auch mit dem auseinanderzusetzen, was in unserer Welt schwierig und traurig ist.

Was mir auffällt: Es ist ein Festival mit lauter gedruckten Büchern. Bei uns im Wallis läuft diesbezüglich auch eine Diskussion, weil in einigen Gymnasien die gedruckten Bücher verschwinden, es gibt kaum mehr Schulbibliotheken. Haben Sie diesbezüglich eine besondere Message?

Es gibt ja diesbezüglich auch die Gegenbewegung, dass es also viele Bücher gibt, die besonders schön gemacht sind, bei denen man sich sehr viel Mühe bei der Ausstattung gibt. Ich glaube nach wie vor – und das wird auch durch Studien unterstützt – dass das Buch eines der besten Medien ist, um sich vertieft in Themen reinzugeben. Wenn wir ein Buch in der Hand haben, dann hilft die die Haptik des Buches auch unserem Gehirn, die Informationen aufzunehmen.

Sie bieten im Festival Übersetzungen an und dazu auch noch Übersetzungskolloquien. Welchen Stellenwert messen Sie den Übersetzungen bei, insbesondere in unserem zweisprachigen Kanton?

Übersetzungen sind nicht nur im Wallis wichtig, sie sind generell wichtig, weil sie uns helfen, auch Geschichten aus anderen Kulturkreisen kennenzulernen und dadurch die Empathie, das Verständnis, für andere Menschen und andere Kulturen zu erweitern. Übersetzungen sind aber auch wichtig für die Universalität, die uns Menschen überall auf der Welt ausmacht, zu erkennen.

Eine persönliche Frage: Sie arbeiten, moderieren, bringen alles locker rüber… haben Sie trotzdem auch manchmal etwas „Bammel“, flattern zuweilen manchmal auch noch ein klein wenig die Nerven? Oder ist das Festival für Sie zur Routine geworden?

Nein, ich mache diese Arbeit auch deshalb besonders gerne, weil sie nie zur Routine wird. Wenn man ein Literaturfestival auf die Beine stellt, bei dem rund 100 Personen in irgendeiner Form mitwirken, auf der Bühne, im Hintergrund, dann geht immer irgendwo etwas schief, dann läuft immer irgendetwas nicht nach Plan. Ich habe dieses Jahr auch wieder so viel gelernt, auch über Themen, über die ich nicht allzu viel lernen wollte, aber auch viel Schönes und Bereicherndes. Das ist es, was für mich diese Arbeit mit Literatur und mit Autorinnen und Autoren ausmacht.

Hören Sie dazu den Podcast aus der Sendung Literaturwelle von Radio Rottu Oberwallis (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Joel Bieler)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig