Gemeinsame Visionen: Inspiriert von der Jubiläumsfeier zur Schweizer Erzählnacht sind faszinierende Ideen entstanden

OK-Präsident Olivier Mermod mit Alexandra Talman, Sandro Steiner, Daniela Furrer, Manfred Kuonen und Sieglinde Kuonen-Kronig, umrahmt von Tänzerinnen von A+O Tanz, setzen einen Meilenstein in der Schulentwicklung (Bild: OMS)

Wenn eine(r) allein träumt, ist es nur ein Traum. Wenn viele gemeinsam träumen, so ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit. Angefangen hatte alles mit einer Rekord-Meldung: «Dieses Jahr brechen wir mit über 770 Veranstaltungen den Rekord. Dies bedeutet, dass wir offiziell über 48’000 Kinder und Jugendliche erreichen», schrieb mir Alexandra Talman, die Direktorin des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien, bevor sie mit ihrer Familie an die Jubiläumsfeier der Schweizer Erzählnacht in die Oberwalliser Mittelschule St. Ursula in Brig reiste, an die Geburtsstätte der Schweizer Erzählnacht.

«Dieses Jahr brechen wir mit über 770 Veranstaltungen den Rekord. Dies bedeutet, dass wir offiziell über 48’000 Kinder und Jugendliche erreichen„, freute sich die SIKJM-Direktorin bei ihrer Ansprache (Bilder: OMS)

Rekordmeldungen im Umfeld des Lesens und Schreibens hören sich hierzulande wahrlich schon beinahe sensationell an. Trotz grossem Aufwand und Investitionen in die Lese- und Schreibförderung bescheinigen uns die regelmässig erhobenen PISA-Studien lediglich Durchschnittlichkeit. Die Rekordmeldung von Direktorin Alexandra Talman ist in diesem Umfeld wohltuende Motivation und Inspiration zugleich. Als Direktorin des nationalen Kompetenzzentrums für Kinder- und Jugendliteratur und Leseförderung weiss sie diesen Rekord auch einzuordnen.

Die Protagonistinnen und Exponenten der schulischen Lese- und Schreibförderung liessen sich inspirieren. Eine Masterarbeit, verfasst von Simona Girardi Bondioli an der Università degli Studi Roma Tre, zeigt wissenschaftlich die Entstehung und Entwicklung der Schweizer Erzählnacht als ein Literaturprodukt aus dem Oberwallis auf, die gemäss ihren ursprünglichen Prinzipien praktisch unverändert bis heute das erfolgreichste nationale Leseförderungsprojekt geblieben ist. Dies eine zusätzliche Motivation, die nun aber neuen Raum schafft für Visionen, Inspirationen und Projekte.

Schulentwicklung

Manfred Kuonen, stellvertretender Direktor der Pädagogischen Hochschule, ist für die Weiterbildung der Lehrpersonen an den Standorten Brig und St. Maurice zuständig. „Einen Kurs in Erzählkunst und Storytelling für Lehrpersonen anbieten, das mache ich doch gerne“, freute er sich im Nachgang der Jubiläumsfeier. Und er wartete denn auch schon mal mit einem faszinierenden Brainstorming auf zur Thematik „Erzählen & Narrative Gestaltung im Unterricht und der Schulentwicklung.“

„Einen Kurs in Erzählkunst und Storytelling anbieten, das mache ich doch gerne“, versprach Manfred Kuonen, Adjunkt der Pädagogischen Schule (Bild: OMS)

Was könnten mögliche neue Ziele für die Schulentwicklung sein? Das Wichtigste: Die Teilnehmenden entwickeln ein Bewusstsein dafür, wie Erzähl- und Narrative Gestaltungskonzepte (Storytelling, Narration, mündliches Erzählen) im Unterrichts- und Schulalltag als didaktische sowie führungsbezogene Ressourcen wirksam sind.

Die Teilnehmenden an derartigen Kursen sollten in Erfahrung bringen, wie sie narrative Strukturen (Ausgangslage, Wendepunkt, Auflösung) identifizieren und methodisch im Unterricht, in Team- und Schulentwicklungsprozessen, einsetzen können. Gleichzeitig stärken sie damit auch ihre mündliche und visuelle Ausdruckskompetenz, insbesondere Stimme, Präsenz, Erzählhaltung, womöglich auch ihre Fähigkeit zur Reflexion der eigenen professionellen Geschichte und Haltung als Lehrperson und Führungskraft.

Manfred Kuonen ist zudem für die Zweisprachigkeit, Kultur und Mobilität zuständig, und er vertritt die PH-VS in der Deutschschweiz. Die Mehrsprachigkeit könne ein Mehrwert sein, ist er überzeugt: „Im bilingualen Kontext des Wallis (Deutsch / Französisch) entwickeln die Teilnehmenden Erzählräume, die Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt thematisieren und fördern. Und wie könnte dies konkret aussehen? „Sie entwerfen und führen eine eigene Erzählsequenz (z. B. im Unterricht oder schulischen Setting) durch, reflektieren deren Wirkung und planen nachhaltig die Verankerung im Schulalltag.

Viel Applaus gab es vom zahlreichen Publikum in der Alten Turnhalle der OMS St. Ursula Brig (Bild: OMS)

Tatsächlich könnte ein Kurs zur Thematik „Erzählen & Narrative Gestaltung im Unterricht und der Schulentwicklung“ auch zur Verankerung von Themen wie Onboarding, Berufseinführungsphase, Quereinsteigende und Führungskräfteentwicklung beitragen. Der Kurs müsste natürlich noch von der Grundausbildung im Bachelor abgegrenzt werden. Dazu legt Kuonen eine spannende Vision dar: «Zur Abgrenzung von anderen Angeboten anderer PH’s müsste der Fokus wohl auf Narratives Erzählen/Storytelling im Schulkontext gelegt werden.» Und: Mehrsprachigkeit könnte zudem ein interessantes Thema sein, da die Klassen eine multikulturelle Zusammensetzung aufweisen.

Konkrete Umsetzung

Olivier Mermod, Direktor der OMS St. Ursula, hatte mit einer kreativen KI-Idee viel Inspiration geliefert für Visionen und Ideen. Sie stiessen auf fruchtbaren Boden und warten nun bloss noch auf ihre Ausformulierung und Umsetzung.

Sandro Steiner, Adjunkt der Dienststelle für Unterrichtswesen, strich die Bedeutung des Lesens und Schreibens heraus und gratulierte dem Ideengeber und ersten Projektleiter (Bild: OMS)

Sandro Steiner, Adjunkt des Chefs der Dienststelle für Unterrichtswesen, dürfte derartige neue Impulse mit Wohlwollen aufgenommen haben.  Wichtige Akzente für die Zukunft zu setzen und Offenheit zu bewahren, selbst immer wieder Lernende zu sein und zu bleiben, ist wichtig. Von ihm stammt das Zitat, nachzulesen im Mitteilungsblatt Oberwallis Nr. 194: «Das Ideal für Kinder und Jugendliche sind Lehrende, die selbst Lernende bleiben. Lehrende, die wissen, dass sie nicht alles wissen können, die offen sind für Neues, die bereit sind, auch neue Impulse zu setzen. Solche Lehrende können fördernd begleiten, können junge Menschen dabei unterstützen, eigene Fähigkeiten und Interessen zu entdecken und zu entwickeln.»

Sieglinde Kuonen-Kronig im Gespräch mit dem Ideengeber und ersten Projektleiter anlässlich der Buchvernissage von „Erzählnächte“ (Bild: OMS)

Die spannenden Visionen, Ideen und Projektvorschläge im Nachgang der Jubiläumsfeier zur Schweizer Erzählnacht rufen die Worte des irischen Schriftsteller Oscar Wilde in Erinnerung: «Die Schule sollte der schönste Ort in jeder Stadt und in jedem Dorf sein, so schön, dass es eine Strafe wäre, am nächsten Tag nicht in die Schule gehen zu dürfen».

Ehrungen von Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern aus 30 Jahren Lese- und Schreibförderung (Bild: OMS Brig)

Gemeinsame Visionen, die faszinieren. Wir sind alle auf die Umsetzung gespannt. Dazu OK-Präsident Olivier Mermod: «Es wäre sicherlich toll, diese Bildung (Weiter- oder Ausbildung) als Startveranstaltung im grösseren Rahmen zu führen, damit der Bekanntheitsgrad möglichst gross ist. Anschliessend wird diese dann z.B. jährlich fixiert, oder auch fix im Lehrplan eingebaut. Gerne stellen wir die Infrastruktur zur Verfügung. Gerne bin ich für ein Brainstorming bereit.»

Hinweis: Dieser Beitrag erschien auch auf pomona.media/rro und im Online-Portal der Zeitung „Walliser Bote“ unter „Kultur“. Text: Kurt Schnidrig; Bilder: OMS St. Ursula.