Im vergangenen Jahr 2022 übernahm Anna Kulp die Festivalleitung von Hans Ruprecht, der aber Programmleiter bleibt. Das Jahr 2023 bot für das Literaturfestival Leukerbad grosse Chancen: Durch ein Transformationsprojekt des Kantons Wallis konnten einige strukturelle Neuerungen angegangen werden, es wurden neue Formate entwickelt und ausprobiert. Für Radio Rottu Oberwallis und für den Walliser Boten bat ich Anna Kulp in Leukerbad zum Interview. Das Interview können Sie untenstehend im Originalton hören.
Frau Kulp, Sie sind Festivalleiterin seit 2022, damals grassierte ja noch die Pandemie. Hat sich das Festival davon erholt? Sind Sie zufrieden mit dem Publikumsaufmarsch?
Anna Kulp: Wir sind sehr zufrieden mit den Anmeldungen und mit dem Vorverkauf in diesem Jahr. Bereits letztes Jahr ging es bereits wieder in Richtung der Vorpandemie-Zahlen. Die genauen Zahlen sind aber noch nicht bekannt, da viele Festival-Besucher ihre Tickets erst im Festival-Büro kaufen.
In diesem Jahr haben Sie auch mit Neuerungen aufgewartet. Das Transformations-Projekt hat Ihnen dabei geholfen. Was hat es gebracht?
Das Transformations-Projekt des Literaturfestivals Leukerbad hat verschiedene Teile. Einige Teile sehen wir jetzt hier am Festival, zum Beispiel gehört «Der Blick ins Tal» dazu, das ist ein Format, das wir zusammen mit dem neu gegründeten MEEL in Monthey entwickelt haben, dem Maison des écrivaines, des écrivains et des littératures, dem neuen Walliser Literaturhaus also. Dabei geht es darum, dass Walliser Schriftsteller:innen über ihre Erfahrungen und über ihre besondere Situation mit der Zweisprachigkeit im Kanton mit der Anbindung an den grösseren Sprachraum Deutschland und Frankreich jeweils miteinander diskutieren können. Bei diesem Projekt wollen wir den gegenseitigen Austausch pflegen.
Ist bei dieser Zusammenarbeit mit dem MEEL für das Oberwallis auch eine Mitarbeit vorgesehen? Haben wir doch im deutschsprachigen Kantonsteil auch durchaus spannende Autorinnen und Autoren?
Die Idee mit dem «Blick ins Tal» ist es, eine Tür zu öffnen. Dieses Jahr war vor allem Rolf Hermann aus dem Oberwallis dabei. Aber es geht nun wirklich auch darum, dass wir das Projekt weiterentwickeln in den kommenden Jahren. Einmal wird das Oberwallis die Oberhand haben, und ein anderes Mal wird das Unterwallis die Oberhand haben. Wir sind ein deutschsprachiges Festival, für uns ist es natürlich auch immer besonders interessant, wenn die Unterwalliser Autor:innen zu uns kommen.
Kommen wir noch auf die vergangene 27. Austragung zu sprechen. Es waren die bewährten Blöcke wieder dabei. Wie erfolgte die Auswahl, wie begründen Sie die Schwerpunktsetzung?
Für das Programm ist unser Kurator, Hans Ruprecht, verantwortlich. Mit ihm zusammen habe ich das Festival ja auch schon 15 Jahre zuvor organisiert. Hans Ruprecht ist auch weiterhin für das Programm zuständig. Ruprecht ist sehr viel unterwegs, lernt viele Menschen kennen, er sondiert die neuen Bücher, er ist sehr am Puls der Zeit. Er sondiert die Themen und sucht dann Menschen, die interessant sind, um miteinander darüber zu sprechen.
Ich nehme an, es ist auch immer wieder eine Herausforderung, neue geographische Regionen zum Mitmachen am Festival zu sensibilisieren? Sie haben dieses Jahr besonders die arabische Welt berücksichtigt. Was war die Überlegung dahinter?
Die Überlegung? Es hat sich die Möglichkeit ergeben, dass wir mit Adonis, dem libanesischen Künstler und Lyriker eine Ausstellung machen konnten, an der er seine eigene Lyrik illustriert. Es ist für uns eine grosse Ehre, dass er mit seinen 92 Jahren hierher kommt und diese Ausstellung macht. Wir versuchen immer wieder eine neue Sprachregion «aufzumachen» für das Publikum. Es hat sich dann angeboten, dass auch Stefan Weidner mit dem Buch, in dem er eine Übersicht gibt über die arabische Literatur, auch mit dabei sein konnte.
Das hört sich alles sehr zuversichtlich an. Trotzdem meine Frage: Das Literaturfestival lief ja in den letzten Jahren finanziell «auf dem letzten Zacken». Haben sich die Schwierigkeiten etwas vermindert? Ist die Zukunft des Festivals gesichert?
Es bleibt ein grosses Thema, das uns immer noch umtreibt. Die Zukunft des Festivals gilt es noch besser abzusichern. Was in den letzten zwei Jahren in kleinen Schritten begonnen hat, das muss weitergeführt werden. In diesem Jahr hilft uns das Transformations-Projekt, das während der Pandemie aufgegleist wurde, und das auch die internen Strukturen des Festivals berücksichtigt. Wir konnten mehr Werbung schalten, und wir konnten auch mehr Menschen ins Team holen, die jetzt auch helfen können, mehr Foundraising betreiben zu können.
Haben Sie sich auch überlegt, wie Sie mehr junge Menschen, Jugendliche, ans Festival locken könnten?
Wir arbeiten schon längere Zeit mit dem Schulhausroman. Auch in diesem Jahr waren es zwei Schulklassen, eine aus Monthey und eine aus Leukerbad, die sich die Texte von James Baldwin vorgenommen haben. Der Schulhausroman «Ein Tag mit James» liegt vor. Die Leukerbadner Schülerinnen und Schüler sind so ein Teil des Festival-Programms. Wir haben auch den Festival-Pass für alle, die unter 30 Jahre alt sind und für alle, die studieren, angeboten.
Text, Bild und Interview: Kurt Schnidrig