
Röbi Koller ist Radio- und Fernsehmoderator, Autor und Journalist. Seine emotionalen Geschichten in „Happy Day“ porträtieren Menschen, die im Leben viel Widerstandskraft an den Tag legen. Darüber schreibt er im Buch „Backstage“. Im „Literatur-Hängert mit Kurt Schnidrig“ blickt Röbi Koller aber auch auf seine bisherige Karriere als Medienmann zurück, die er 1981 beim Piratensender Radio 24 startete. Als Autor von Langzeitreportagen und Sendungen wie „Quer“ wechselte er später zum Fernsehen.
Röbi Koller hat sich auch als Literat einen Namen geschaffen. Im Format „Züri Littéraire“ führte er ab 2004 zusammen mit Mona Vetsch heisse Diskussionen über Literatur. Röbi Koller ist zudem mehrfacher Buchautor.

Röbi Koller vermittelt in seiner Sendung „Happy Day“ berührende und emotionale Geschichten. Vor seinem letzten „Happy Day“ hatte er die Zugfahrt nach Brig auf sich genommen. In der Buchhandlung ZAP faszinierte er sein Publikum. Röbi Koller erzählte von seinen berührendsten Begegnungen.
Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm der Auftritt des italienischen Rockstars Zucchero. Röbi Koller blickte zurück auf seine legendären Bob-Dylan-Talks und er berichtete auch über seine Arbeit als Botschafter für die Hilfsorganisation Comundo, die vor allem in Afrika und Südamerika Projekte im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit betreibt.
Röbi Koller gab auch ein mutiges Plädoyer fürs Lesen ab. „Man muss neugierig bleiben und die Menschen gern haben“, dies wohl ist das Erfolgsgeheimnis von Röbi Koller. In seinem Buch „Backstage“ veröffentlicht Röbi „wahre Geschichten, dekoriert mit Zuckerguss“. Es sind dies Geschichten, die viele Menschen berühren und beschäftigen. Darüber habe ich mit Röbi Koller im rro-Interview gesprochen.

Nachfolgend ein Auszug aus dem „Literatur-Hängert mit Kurt Schnidrig“, den Sie auf pomona.ch/rro in voller Länge nachhören können.
Kurt Schnidrig: Röbi, in deinem Buch „Backstage“ habe ich über die Geschichten in der Sendung Happy Day gelesen: „Wahre Geschichten dekoriert mit Zuckerguss“. Wie ist nun das Verhältnis von wahren Geschichten und dem Zuckerguss?
Röbi Koller: Der Zuckerguss auf den Geschichten ist wie eine Emailschicht. Wir wollen nicht Beiträge machen, die nach Tagesschau, 10 vor 10 oder nach Tagesaktualität aussehen. Die Geschichten sind vielmehr gedacht für eine Samstagabend-Show. Deshalb müssen die Geschichten auch gut gestaltet und zurechtgemacht sein, das ist gemeint mit Zuckerguss. Aber es sind hundertprozentig wahre Geschichten.
In deinem Buch äusserst sich ein Zuschauer wie folgt: „Eure Geschichten sind so emotional, da kommen sogar meinem Mann die Tränen.“ Es handelt sich um Wiedersehensgeschichten, es stehen Emotionen hinter diesen Geschichten. Ist es in unserem Land schwierig, die Menschen und insbesondere die Männer zu bewegen und zu Tränen zu rühren?
Am Anfang war es wohl schwieriger, weil die Schweizerinnen und Schweizer, auch die Frauen, sind nicht so emotional wie die Südländer oder wie die Amerikaner. Wenn man sich in diesen Ländern ähnliche Shows ansieht, dann „chlöpfts und tätschst“, es wird gejauchzt und geweint. In diesen Ländern spürt man die Emotionen stark. Bei uns in der Schweiz ist alles etwas verhaltener. Es gibt auch das leere Schlucken, das sprachlose Zuschauen, das Grosse-fragende-Augen-machen. Das ist schweizerisch und auch eine Art, seine Emotionen zu zeigen. Die Schweizer zeigen ruhigere Emotionen. Das hat sich allerdings auch verändert. Mit der Zeit haben die Menschen auch gelernt, dass man auch mal Tränen vergiessen darf. Sogar die Männer haben das gelernt. Immer wieder höre ich auch Männer sagen: „Ich schau mir jetzt auch Ihre Sendung an und ich muss manchmal auch weinen.“ Einige schämen sich darob ein wenig.
Wird eine „Brüeli-Sändig“, eine Sendung, in der Tränen vergossen werden, nicht auch manchmal peiorativ bewertet? Gibt es vielleicht sogar Menschen, die sich von einer derartigen Sendung gestört fühlen?
Es gibt tatsächlich Leute, die nasenrümpfend über „Happy Day“ sprechen. Dabei handelt es sich vor allem um Journalisten-Kollegen von den News-Sendungen, von der Rundschau beispielsweise, die meinen, sie seien die besseren Journalisten. Ich möchte sowas aber in Abrede stellen. Unsere Leute recherchieren genau so gut und präzise, damit unsere Geschichten „wasserdicht“ sind. Unsere Gesprächspartner werden mit Respekt behandelt, auch, damit sie nichts Falsches erzählen. Derartige Stimmen sind jedoch mit den Jahren viel weniger zu hören gewesen.
Stichwort „Respekt“: Bei Bewerbungen für „Happy Day“ habt ihr in den Biographien auf Resilienz geachtet, auf Widerstandskraft der Kandidatinnen und Kandidaten. Welche Überlegungen stehen dahinter?
Wir wählen Leute aus, die das Leben „bei den Hörnern packen“, die trotz Gegenwind positiv und optimistisch bleiben, die eben auch eine gewisse Resilienz haben. Für mich sind die Kandidatinnen und Kandidaten auch Alltagshelden, die mit Schicksalschlägen zu kämpfen haben. Sowas wollen wir belohnen. Wir fragen uns dann auch immer: Mag man das diesen Menschen gönnen? Es genügt nicht, dass wir jemanden glücklich machen, wir wollen die vielen Tausend Zuschauenden auch glücklich machen. Deshalb ist die Frage nach dem Gönn-Faktor für uns sehr wichtig. Das ist aber nicht das einzige Kriterium. Andere Kriterien sind: Ist es machbar? Ist es bezahlbar? Ist es realisierbar in einem angemessenen Zeitraum?
In deinem Buch verwahrst du dich gegen den Vorwurf, ein Sozialamt zu sein. Wo ist der Unterschied zwischen der Sendung und einem Sozialamt?
Da besteht ein grosser Unterschied. Bei einem Sozialamt hat in der Regel jeder, der die Kriterien erfüllt, ein Recht auf Unterstützung. Bei uns in „Happy Day“ hat niemand ein Recht auf Unterstützung, vielmehr funktionieren wir eher wie eine Lotterie. Wenn jemand berücksichtigt wird, dann hat er eben Glück gehabt. Vielleicht war auch seine gute Geschichte für die Berücksichtigung ausschlaggebend. Wir haben aber keine Verpflichtungen. Wir müssen auch nicht mit diesen Menschen weiterzuarbeiten. Natürlich bleiben wir aber in Kontakt mit den Menschen, die in Happy Day aufgetreten sind. Ich bin auch kein Therapeut. Ein Therapeut hätte eine ganz andere Verantwortung den Menschen gegenüber. Was mich mit einem Therapeuten verbindet: Ich muss mich immer wieder abgrenzen. Zwar kann ich empathisch sein, aber ich muss auch meinen Job noch machen können. Ich muss wissen, wie es weitergeht mit der Überraschung. Deshalb bin ich immer zumindest mit einem Bein mitten in der Geschichte.
Röbi, wie authentisch und wie „live“ ist deine Sendung „Happy Day“? Werden die Beiträge für die Sendung geschnitten und bearbeitet?
An der Live-Sendung wird nicht geschnitten. Die kommt live am Samstagabend. Alles, was im Studio passiert, ist 1:1 live. Geschnitten werden aber die Filmbeiträge. Da erzählen wir eine schöne Geschichte und machen möglichst tolle Aufnahmen. Der Augenblick der Überraschung allerdings muss authentisch sein. Die Zuschauer sollen spüren, dass alles jetzt passiert. Die Menschen, die wir überraschen, können das nicht spielen: Das Staunen, das ungläubige Schauen wenn etwas passiert, das könnte vielleicht ein guter Schauspieler spielen. Wir aber machen einmalige Aufnahmen, die wir dann in einen Film hineinschneiden.
Da kann man nur gratulieren. In deiner Sendung lassen sich kaum Fehler entdecken. Trotzdem findet sich im Buch der Fachbegriff „Unwuchten“. Was dürfen wir darunter verstehen?
Dabei handelt es sich um ein Lieblingswort von mir. Wenn ein Rad „eiert“, muss man es auswuchten. Wenn man die Winterpneus zum Montieren bringt, muss jedes Rad ausgewuchtet werden, denn Räder haben nun mal die Tendenz zu „eiern“. Das Auswuchten erfolgt mit Bleistücken, die das Eiern verhindern. Auf unser Leben übertragen: Unwuchten sind Unstimmigkeiten, Pannen, Holperer im Leben.
Was ich als besonders wertvoll empfinde: Die Sendung „Happy Day“ basiert auf Werten wie „Augenhöhe“, „Menschlichkeit“, „Solidarität“, „Engagement für Schwache“, „Respekt“ usw. Welche Werte sind für dich die wichtigsten?
Alle, die du erwähnt hast. Besonders Ehrlichkeit ist für mich wichtig, Zuverlässigkeit, Respekt. Dabei handelt es sich um Werte, die ich bereits in meiner Kindheit mitbekommen habe. Ich habe auch versucht, diese Werte meinen eigenen Kindern weiterzugeben. So gesehen ist unsere Sendung mit diesen Werten auch ein Gegengewicht zu unserer realen Welt mit Fake News, Hassreden und extremen Positionen.
Trotz all dieser Werte möchtest du aber kein Moralapostel sein…
Ein Moralapostel predigt. Er sagt den Leuten, wie sie sich verhalten sollen. Das machen wir nicht. Wir zeigen ganz einfach vor, wie sich unsere Helden oder Vorbilder verhalten. Wir hoffen, dass sich auch noch andere Leute zu derart vorbildlichem Verhalten verleiten lassen. Einem Beispiel freiwillig folgen ist sympathischer als vorgeschrieben zu bekommen, was man machen soll, wie dies Moralapostel machen.

Text, Bilder, Interview und Radiosendung: Kurt Schnidrig