
Die Spannung im Theater Basel steigt. Heute Sonntag zur Mittagszeit wird vor viel Publikum der beste Roman des Jahres von einer Jury mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Die Jury wird aus einer Vorauswahl, aus einer Shortlist von fünf Büchern, die Gewinnerin oder der Gewinner ermitteln. Wir wagen eine Prognose. Wie gut stehen die Chancen? Nachfolgend die fünf Nominierten:
Nelio Biedermann: „Lazar“. Die Story handelt von einer ungarischen Adelsfamilie, die in grossem Luxus lebt. Layos von Lazar heisst der Protagonist, und der beteiligt sich im Zweiten Weltkrieg an der Verfolgung ungarischer Juden. Als dann die Kommunisten an die Macht kommen, verliert die Adelsfamilie alles. Nelio Biedermann erzählt in einer poetischen Sprache aus dem Leben verschiedener Generationen. Wie soll man mit der eigenen Verletzlichkeit einerseits und der Lust auf das Leben andererseits umgehen? Im Literaturbetrieb hat man die Werbemaschinerie für den jungen Autor und für seinen Erstling angeworfen. Ich denke aber nicht, dass er den Schweizer Buchpreis erhalten wird. Für einen Newcomer ist es aber doch schon eine riesen Leistung, es überhaupt auf die Shortlist des Buchpreises zu schaffen.
Jonas Lüscher: Verzauberte Vorbestimmung. Das jahrhundertealte Thema „Mensch und Maschine“ wird für Jonas Lüscher zu einer existenziellen Erfahrung, als er eine Covid-Erkrankung nur mit Hilfe von modernster Technik überlebt. Die Chancen auf den Schweizer Buchpreis sind intakt. Für mich ist das Thema „Mensch und Maschine“ allerdings bereits etwas gar breit getreten und die lästige Pandemie haben die meisten von uns wohl einfach nur in schlechter Erinnerung.
Melara Mvogdobo: Grossmütter. Der Roman handelt von zwei Grossmüttern, die in ganz unterschiedlichen Welten leben und doch vieles gemeinsam haben. Die eine kommt aus einer armen Schweizer Bauernfamilie, die andere aus einer wohlhabenden Familie in Kamerun. Die Parallelführung von zwei so unterschiedlichen Frauenleben ist spannend. Verdientermassen auf der Shortlist, aber für den Schweizer Buchpreis wohl eher wenig überzeugend.
Meral Kureyshi: Im Meer waren wir nie. Eine Frau, Lili mit Namen, zieht ins Altersheim und ihre Familie sucht jemanden, der sie regelmässig besucht. Als Lili stirbt, wagen ihre Betreuerinnen einen neuen Anfang. Thematisiert wird vor allem die Tristesse in einem Altersheim. Es geht um unsere Wurzeln und es geht um den Aufbruch in ein anderes Leben. Ein Roman mit sozialem Touch, gut, hat er es auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises geschafft.
Dorothee Elmiger: Die Holländerinnen. Ja, das ist mein Favorit. Eine bekannte Schriftstellerin kommt an die Grenzen ihres Schreibens. Und warum? Für ein Theaterprojekt will sie einen ganz besonderen Fall aufrollen: Zwei Holländerinnen sind im lateinamerikanischen Dschungel verschwunden. Die Reise auf den Spuren der verschwundenen Holländerinnen wird zu einer heiklen Grenzerfahrung. Die Chancen auf den Schweizer Buchpreis sind für Dorothee Elmiger gross. Einerseits weil Dorothee Elmiger eine erfahrene Schriftstellerin ist, die erzählerisch alle Grenzen auslotet. Sie behandelt grosse Themen wie die Sinnhaftigkeit des Lebens oder die Möglichkeiten von Kunst. Andererseits aber auch, weil sie bereits den Deutschen Buchpreis erhalten hat. Und – wie bereits bei Kim de l’Horizon im Jahr 2022 – gibts dann wohl den Schweizer Buchpreis dazu. Wer schon hat, dem wird gegeben.
Liegen wir mit unseren Prognosen richtig? Der Schweizer Buchpreis wird sonntags zur Mittagszeit in Theater Basel verliehen.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig