Jagdzeit ist’s und da stellt sich die Frage, wer der Schnellere ist. Ist es der Jäger mit dem Schiessgewehr? Oder ist es das Jagdtier? Würde alles mit rechten Dingen zugehen, müssten also Mensch und Tier in einem fairen Wettkampf gegeneinander antreten, dann hätten unsere einheimischen Jäger schlechte Karten. Bei der Niederjagd wäre der Jäger in einem Laufduell gar chancenlos. Das schnellste bejagbare Tier ist nämlich der Feldhase, und der schafft auf der Flucht locker 70 km/h. Zudem ist der Feldhase nebst seiner Geschwindigkeit bekannt für seine schnell geschlagenen „Haken“, die ihn bei einem Verfolgungsrennen praktisch uneinholbar machen. Die einheimischen Jäger haben den Vorteil, dass sie gut versteckt und hinterhältig von ihrem Hochsitz herab auf die völlig überrumpelten Tiere schiessen dürfen. Damit machen sie die mangelnde Geschwindigkeit gegenüber den Jagdtieren wett. Das schnellste Jagdtier weltweit ist allerdings eine Raubkatze, der Gepard, auch Panther genannt. Der Gepard erreicht auf einer kurzen Distanz von vielleicht maximal 400 Metern eine Spitzengeschwindigkeit von 120km/h.
Rilkes „Panther“ ist ein Gepard. Im Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke, geschrieben 1903, geht es um einen gefangenen Panther und um dessen Existenz im Käfig. Rilke war dem beschriebenen Panther im Jardin des Plantes in Paris begegnet. Der Jardin des Plantes ist ein botanischer Garten im Südosten von Paris. Der Garten existiert seit rund 500 Jahren, er wurde bereits 1626 erbaut. Während der französischen Revolution wurden 1793 alle exotischen Tiere an die Naturforscher des Jardin des Plantes zur Schlachtung und Ausstopfung übergeben. Die Naturforscher fassten sich jedoch ein Herz und liessen die Tiere am Leben. Sie bauten für die exotischen Tiere die „Ménagerie du Jardin des Plantes“. Die Ménagerie, der Tiergarten also, existiert auch heute noch. Anlässlich meines letzten Paris-Aufenthaltes habe ich den „Jardin des Plantes“ mit der Ménagerie besucht. Daselbst wird auch ein Nachfahre des bekannten „Panthers“ aus dem Gedicht von Rainer Maria Rilke gezeigt. Ganz genau genommen handelt es sich dabei allerdings um einen Gepard. Wie lässt sich dieser vermeintliche Widerspruch erklären? Ganz einfach. Die Bezeichnung „Panther“ bezieht sich auf alle Mitglieder der sogenannten „Felidae-Familie“, die aus Tiger, Löwe, Jaguar, Leopard und Gepard besteht.
Der Gepard (Panther) ist das schnellste Landtier der Welt. Geparde sind auf ihre Geschwindigkeit angewiesen, um ihre Beute zu jagen. Der Gepard bringt anschliessend seinen „Kill“ an einen einsamen, versteckten Ort, um ihn vor dem Zugriff anderer Wildtiere zu schützen. Geparde können in nur drei Sekunden von 0 auf 60 Meilen pro Stunde beschleunigen. Auffällig ist ihre braune Farbe mit schwarzen Flecken am ganzen Körper. Zusammen mit seinen Verwandten Tiger, Löwe, Jaguar und Leopard gehört er zur Gattung der Panther oder Panthera, einer Spezies der sogenannten Felidae-Familie.
„Der Panther“, das Gedicht von Rainer Maria Rilke, besteht aus drei Strophen mit jeweils einem Satz, der sich über vier Verse hinzieht. In der ersten Strophe beschreibt Rilke den ermüdeten Blick des Panthers, der hinter den Gitterstäben nichts mehr wahrnehmen kann. Seine kleine Welt ist ein Mikrokosmos und besteht nur noch aus dem Käfig. In der zweiten Strophe weist uns der Dichter auf die Attribute des Panthers hin: er hat einen geschmeidigen Gang voller Kraft. In Gefangenschaft bleibt ihm einzig der Gang im Kreis herum. Seine Willenskraft ist betäubt. In der dritten Strophe erfahren wir, was im Innern des Panthers vor sich geht: Zwar nimmt er hin und wieder etwas wahr, die Bilder erzeugen jedoch keine Wirkung in ihm, der Panther ist kaum noch zu einer Reaktion fähig.
Eine Assoziation mit der Gefangenschaft des Menschen legt uns Rilkes Gedicht nahe. Der Mensch ist unzähligen alltäglichen Zwängen unterworfen, die ihm die Gesellschaft auferlegt, oder die er sich selbst schafft. Zwänge können im Beruf oder auch im Privatleben auftreten. So gesehen kann Rilkes Gedicht „Der Panther“ als ein Appell gedeutet werden, sich nicht zu sehr von den überall lauernden Zwängen gefangen nehmen zu lassen, ansonsten würde eine innere Leere drohen.
Der Mensch als Jäger ist dem Tier, insbesondere dem Panther, klar unterlegen. Trotzdem ist auch der Mensch immer auf der Jagd nach schnellen Zeiten. Am „Magic Run“ schaffte unsere Laufgruppe die rund 10 Kilometer in einer knappen Stunde. Am Berlin Marathon von heute Sonntag legte der Äthiopier Guye Adola die Marathondistanz in 2 Stunden und gut 5 Minuten zurück. Den Marathon-Weltrekord lief der Kenianer Kipchoge ebenfalls in Berlin in 2:01:39. Wenn man diese Zeit umrechnet, kommt man auf eine Geschwindigkeit des Marathon-Weltmeisters von gerade mal 21 km/h. Als schnellster Mensch aller Zeiten wird immer noch der Jamaicaner Usain Bolt geführt. An den Olympischen Spielen in Peking lief er einen 100-Meter-Weltrekord in 9,69 Sekunden. Umgerechnet ergibt dies eine Geschwindigkeit von 37,59 km/h. Das wäre dann also gerade mal die Hälfte der Geschwindigkeit, die ein einheimischer Feldhase so für gewöhnlich drauf hat…
Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig