Der Roman „Windstärke 17“ dreht sich um prekäre Kindheitserfahrungen. Die Autorin zeigt, wie sich eine junge Frau freischwimmt aus einem verkorksten Elternhaus und wie sie in ihrem Leben neu Fahrt aufnimmt, wie sie ankämpft gegen Stürme und Wellen, die ihr in ihrem noch jungen Leben entgegenschlagen.
Das literarische Coming-of-Age-Genre, dem der Roman zuzurechnen ist, befasst sich mit dem Erwachsenwerden. Es ist dies eine Zeit, die nicht ohne Probleme und nicht ohne persönliche Tragödien vorübergeht, es geht alles drunter und drüber, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt. Vielen von uns ist für diese Zeit einzig der Begriff „Pubertät“ bekannt.
Auf der sogenannten Beaufortskala lässt sich die Windstärke einteilen von 0 (Windstille) bis zur Windgeschwindigkeit 17 (Orkan-Böen von über 200 Stundenkilometern). Ida, der Protagonistin im Roman, bläst demnach ein enormer Gegenwind entgegen bei ihren Versuchen, selbständig und erwachsen zu werden.
Idas Welt liegt in Trümmern. Damit sind die familiären Verhältnisse und die katastrophale Eltern-Kind-Beziehung angesprochen. Ida, Mitte zwanzig, hat eine alkohol- und tablettensüchtige Mutter zuhause. Eines Tages erwacht die Mutter nicht mehr aus dem Koma und stirbt.
Ida flüchtet nach dem Tod ihrer Mutter aus der leeren Wohnung und möchte all die schlimmen Erinnerungen zurücklassen. Sie nimmt reissaus und flüchtet ohne Plan in Richtung Ostsee. Nicht nur symbolisch, sondern auch wirklich kämpft sich Ida an und in der Ostsee frei.
Ida schwimmt ins offene Meer, sie kämpft gegen hohen Wellengang, sie begibt sich in Lebensgefahr, sie will den Wind, das Wasser und das Meer spüren. Ida will sich selbst auf die Probe stellen. Sie möchte herausfinden, ob sie überhaupt aus eigener Kraft zurück ans Land und damit auch zurück ins Leben finden kann.
„Windstärke 17“ basiert auf existenzphilosophischen Gedanken. Die Welt erscheint als ein aufgewühltes Meer. Die Protagonistin muss gegen die Stürme des Erwachsenwerdens ankämpfen, sie muss sich beweisen, sie muss selbstbewusst zurück ins Leben und zu sich selbst finden.
Der sprachliche Stil, die Sprechgeschwindigkeit und der Erzählrhythmus passen sich der wildwogenden Ida-Persönlichkeit an. Autorin Caroline Wahl schreibt in einer unverblümten, direkten Jugendsprache, trotzig, frech, rotzig und heftig.
Bestseller-Autorin Caroline Wahl im rro-Interview:
Kurt Schnidrig: Herzlich willkommen in Brig, Sie haben Ihr Buch „Windstärke 17“ mit dabei. Was war Ihre Intention, dieses Buch zu schreiben?
Caroline Wahl: In meinem Buch geht es um Ida, die ist Anfang 20 und die flüchtet kurz nach dem Tod Ihrer Mutter aus der gemeinsamen Wohnung. Sie steigt in den Zug und landet dann auf Rügen. In Rügen wird sie aufgenommen von Knut und Marianne. Knut ist ein Kneipenbesitzet und er erklärt Ida später die Windstärken. Eigentlich geht die Windstärken-Skala nur bis 12, aber es gibt noch eine andere Skala, die nur in Südostasien verwendet wird, und da sind die Windstärken skaliert bis 17. Windstärke 17 ist die höchste Windstärke, die es gibt, es ist ein super Hurricane. Ida nutzt dann diese Metapher dieser Windstärke 17, um ihr Innenleben und den Sturm in sich selbst zu beschreiben.
Handelt es sich demnach um einen typischen Frauenroman, der das Heranwachsen einer jungen Frau thematisiert?
Nein, ich habe definitiv keinen Frauenroman geschrieben. Die Protagonistin ist zwar eine Frau, aber die Probleme und die Ereignisse, die ihr widerfahren, haben nichts mit ihrem Geschlecht zu tun. Es ist vielmehr ein Roman über einen jungen Menschen, es könnte dies ein jeder junge Mensch sein.
Ein Roman also, der von einer jungen Frau handelt, die zu sich findet und zu einer Erwachsenen wird?
Ja, auf jeden Fall ist es ein Coming-of-Age-Roman. Die Story handelt von einer Frau, die in ein selbstbestimmtes Leben findet, sie findet auch zurück in ein Leben, nachdem die Mutter gestorben ist.
Ist der Roman auch autobiographisch?
Nein, der Roman ist überhaupt nicht autobiographisch. Schreiben bedeutet für mich, neue Räume zu erkunden, sich mit Menschen zu beschäftigen, die andere Schicksale haben als ich selbst, und auch, die Umwelt um mich herum besser zu verstehen. Deshalb schreibe ich am besten nicht über mich selbst.
Es ist dies bereits Ihr zweiter Roman, der auf den Buch-Bestenlisten erscheint. Wie erklären Sie sich den Erfolg?
Ich war vor allem immer selbst eine begeisterte Leserin, ich habe viel gelesen. Dann habe ich Literatur studiert, weil ich irgendetwas mit Sprache machen wollte. Ich hatte noch nicht das Selbstbewusstsein, dass ich so schreiben kann und wollte in den Verlagen arbeiten. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich es doch versuchen könnte. Es hat geklappt.
Herzlichen Dank, wir empfehlen „Windstärke 17“ sehr gerne weiter und sind gespannt auf Ihre Lesungen.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig