
Anthony Meyer kommt aus Zinal im Val d’Anniviers. Der junge Mann möchte den Lehrerberuf ergreifen. Ein Jugendfreund unterstützt sein Studium finanziell. Der Jugendfreund heisst David, und David hat eine schwierige Kindheit hinter sich.
Die traurige Kindheit seines Freundes David hat den Autor Anthony Meyer dazu motiviert, über Wünsche und Träume heutiger junger Menschen in unserem engen Wallisertal ein Buch zu schreiben. Das Buch trägt den Titel: „Wie man auf den Frühling wartet“.
Für einen jungen Mann ist es auch heute noch nicht einfach, über seine ureigensten Wünsche und Träume zu sprechen. Zuweilen ist gar ein Ventil nötig, um Dampf ablassen zu können und um sprechen zu können über Themen, die ganz tief in seinem Inneren verschlossen sind.
Und hin und wieder braucht es auch ein Ereignis, eine herausfordernde Tat, um auf die eigenen Nöte und Qualen aufmerksam zu machen. So geschehen bei David: Eines Tages lässt er im Schulbus seine Hose herunter, presst den Hintern an die Scheibe und beschimpft die Kinder im anderen Schulbus, der daneben steht.
Der Chauffeur des Schulbusses ist ob dieser Frechheit völlig ausser sich. Er bringt David zu seinem Klassenlehrer, damit dieser dem Fehlbaren eine zünftige Strafe verpassen soll. Der Lehrer jedoch kann nicht verstehen, was um drei Teufels Namen in David gefahren ist, und er fragt sich, was David zu einer derart scheusslichen Tat inspiriert haben könnte. Denn David sei doch sonst immer ein höflicher und zurückhaltender Schüler gewesen, weiss er.
Schliesslich gibt der Lehrer seinem Schüler David Zeit bis zu den Weihnachtsferien. David soll bis Weihnachten alles aufschreiben, was ihn zu dieser dummen und unpassenden Aktivität bewogen hat. Ob diese Strafe angemessen ist, das soll von den Erklärungen abhängig sein, die David aufschreibt.
David schreibt über seine geheimsten Wünsche, Träume und Gedanken. David schreibt aber auch über seinen Mangel an Emotionen und Gefühlen. Und David schreibt über sein grenzenloses Bedürfnis nach Zärtlichkeit.
Bei der Lektüre von Davids Schreibarbeit wird für uns Lesende klar: David versucht durch riskante Mechanismen seine emotionalen Mängel auszugleichen. Dies geschieht beispielsweise dadurch, dass er andere Fahrgäste im Schulbus belästigt.
Während David schreibt, befindet er sich in Gedanken gar im Reich der Toten. Beim Lesen dieser erschütternden Lektüre geht dem Lehrer auf, woran sein Schüler David effektiv krankt: David ist verloren zwischen Realität und Fiktion. David leidet zutiefst unter der Einsamkeit und unter dem Alleinsein. In seinem Lehrer findet David jemanden, der ihn versteht.

„Wie man auf den Frühling wartet“ ist ein wundervolles Buch, das auf einer gut durchdachten Jugendpsychologie gründet. Ein Buch, das berührt und bewegt. Ein Buch auch, das authentisch wirkt.
Ein Jugendroman, verfasst von einem jungen Walliser, der mit viel Talent und Empathie beschreibt, was viele von uns, insbesondere aber unsere Jugend, bewegt.
Hören Sie dazu den Podcast aus der Sendung Literaturwelle von Radio Rottu Oberwallis. (Quelle: rro / Jelena Kalbermatten / Stefanie Sterren / Kurt Schnidrig)
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig