Früher gab es am Kollegium den Matura Typ A mit Griechisch als Hauptfach. Matura Typ B hatte immerhin noch 7 Stunden pro Woche Latein im Angebot. Heute spricht man Englisch. „Die Wirtschaft“ will es so. Immerhin lassen sich mit Hilfe der englischen Sprache zumindest noch Shakespeares Dramen lebendig erhalten. Romeo und Julia zumindest. Wenn auch in merkwürdig hochalpiner Abwandlung mit bierseligem Hollywood-Happy-End. Wer aber kennt noch die Dramen von Aischylos? Der Reclam-Verlag wartet mit einer Neuauflage auf. Auch wenn die „Griechen“ und „Lateiner“ unter uns in die Jahre gekommen sind.
Das epochale Werk „Die Perser“ von Aischylos, uraufgeführt 472 v. Chr. in Athen, ist die älteste Tragödie, die wir kennen. Mit dieser Tragödie beginnt die Theatergeschichte im gesamten Abendland. Es ist ein monumentales Werk, das uns den Zusammenprall zwischen Orient und Okzident erleben lässt. Das Thema der Tragödie ist dem damaligen Zeitgeschehen entnommen. Nur 8 Jahre vor der Uraufführung fand die Seeschlacht von Salamis statt, in der die Griechen die Perser mit deren König Xerxes besiegten.
Einige literarische Techniken, die von heutigen Autoren immer noch angewandt werden, sind in „Die Perser“ von Aischylos erstmals in die europäische Theatergeschichte eingeführt worden. Mit der literarischen Technik „Der Bote aus der Fremde“ wird der Krieg zwischen Griechen (Hellenen) und Persern auf der Bühne in erlebter Rede berichtet:
Der stolze Hofstaat des Perserkönigs Xerxes wartet auf die Nachricht vom erfolgreichen Feldzug ihres Herrschers gegen die Hellenen. Doch der Feldzug wird zu einer wahren Katastrophe. Die Mutter des Perserkönigs, sie heisst Atossa, sieht die Tragödie in ihren Albträumen voraus: „Mit immer neuen nachtgeborenen Träumen geh ich um, seitdem meinem Sohn die Zerstörung droht…“.
Der Chor erklärt sodann die Unterschiede zwischen den Griechen und den Persern. Der Chorgesang gipfelt in der Aussage: „Keines Menschen Sklaven sind sie (die Griechen), keinem Manne untertan.“
Als dann der Bote der Perser endlich erscheint, erweisen sich die Albträume von Königs-Mutter Atossa als harte Wirklichkeit. Zwar ist der Perserkönig Xerxes unverletzt geblieben, aber das mächtige und schier unbezwingbare Heer der Perser hat bei Salamis eine verheerende Niederlage einstecken müssen.
Die geschlagenen Perser suchen Rat bei ihrem verstorbenen guten König Dareios. Sein Geist erscheint und erklärt den Versammelten die Gründe für die fürchterliche Niederlage: Perserkönig Xerxes hatte die Götter beleidigt, indem er sich über sie stellte: „Er – ein Mensch – die Götter alle glaubte er voller Unverstand…“.
Aischylos versteht es, seine Zuschauer in die Lage der persischen Feinde zu versetzen. Aischylos selbst wusste, wovon er schrieb: Er selber hatte in Salamis auf der Seite der Sieger gekämpft; sein Bruder fiel in der Schlacht.
Der Luzerner Altphilologe Kurt Steinmann hat den Text mit grosser Geste, energievoll und hochspannend, übersetzt. Eine geglückte Neuauflage eines monumentalen Werks. Eine grossartige Lektüre!
Literatur: Aischylos: Die Perser. Griechisch / Deutsch. Übersetzt und hrsg. von Kurt Steinmann. Reclam Verlag, 2017. 128 Seiten.
Zum Bild: Historische Brücke (erbaut von Napoleon) kurz vor Simplon-Dorf. Foto: Kurt Schnidrig.