Für sie soll gute Literatur immer anspruchsvoll sein, aber auch unterhaltsam: Cornelia Heynen-Igler tritt zur Zeit mit ihrer Erzählung „Witwensommer“ mit gutem Erfolg vors Publikum. Sie trägt ihren eingängigen Text vor in Kombination mit den Bildern der Künstlerin Helga Zumstein. Mitte Oktober durfte ich Cornelia Heynen-Igler als kompetente Gesprächspartnerin anlässlich meines Literatur-Talks erleben, der per Livestream aus dem rro-Studio Barrique in Eyholz übertragen wurde. Im Sommer hatte sie bereits einen Auftritt am Frauenstimmen-Festival. Weitere Auftritte werden folgen, in Simplon-Dorf zum Beispiel im Dezember oder im Staldbach im März.
Die Erzählung „Witwensommer“ handelt von einer erotischen Annäherung an einen Deutschlehrer, der für weibliche Reize empfänglich ist. Ob sie diese Geschichte aus irgendwelchen Motivationen heraus erfunden habe, wollte ich von Cornelia Heynen-Igler wissen. Oder steckt gar ein reeller Hintergrund dahinter? Die Antwort fiel deutlich aus. Nie würde sie etwas Reelles einfach so übersetzen oder übertragen, das wäre für sie denn gar zu einfach, beschied sie mir. Natürlich könne niemand ausserhalb von sich selber schreiben, ergänzte sie, aber das möchte sie auch gar nicht.
Der Erzähltext „Witwensommer“ kam aufgrund vieler eigener Beobachtungen zustande. Es geht der Autorin um das Verhältnis zwischen Mann und Frau, insbesondere um die verschiedenen Facetten und Nuancen, die das Verhältnis zwischen Mann und Frau ausmachen. Natürlich seien Personen und Vorkommnisse in „Witwensommer“ frei erfunden. Das Wort „erfunden“ möge sie jedoch gar nicht, gab sie im Gespräch mit mir zu bedenken. Indem man als Schriftstellerin eine Person kreiere, bekomme diese auch ein Leben, die Person werde erschaffen und beginne zu leben. Doch habe diese Person keine reellen Vorbilder im wirklichen Leben.
Der Erzähltext „Witwensommer“ ist soeben im Sammelband „Talwind II“ erschienen. Die Anthologie selber sei für sie Motivation genug gewesen, mitzumachen, antwortete Cornelia Heynen-Igler auf meine Frage, weshalb sie gerade dieses Publikationsorgan für ihren „Witwensommer“ ausgewählt habe. Die Aussicht, in einer Anthologie für Oberwalliser Gegenwartsliteratur vertreten zu sein, sei für sie ein Anreiz gewesen, wieder mal etwas zu schreiben. Sie sei nicht eine Autorin, die für sich selber Tagebuch oder Gedichte schreibe. Immer brauche sie einen äusseren Reiz, einen Antrieb von aussen, um zu schreiben.
Cornelia Heynen-Igler arbeitet beruflich als Texterin und Kommunikatorin. Ihre literarischen Arbeiten sind bereits in verschiedenen Anthologien, Zeitschriften und Zeitungen erschienen. Zu grosser Bekanntheit brachte sie es mit ihren Kolumnen, die sie während Jahren wöchentlich unter dem Pseudonym Mary für die Rhone Zeitung RZ verfasst hatte. Die Kolumnen lösten bei der Leserschaft vor allem viel Beifall aus, zuweilen auch Befremden. Doch für Kolumnisten sind Unmutsbezeugungen fast noch inspirierender als kopfnickende Zustimmung. Dürfen wir uns auch aus diesem Grund bald wieder auf ihre originellen Kolumnen – unter welchem Pseudonym auch immer – freuen? Mit ihren literarischen Arbeiten beweist Cornelia Heynen-Igler, dass anspruchsvolle Literatur durchaus auch unterhaltsam sein kann.
Text: Kurt Schnidrig. Foto: rro