Am Frauenstimmenfestival standen verschiedene Künstlerinnen auf den Bühnen in der Briger Altstadt. Das Festival bot vor allem viel Musik und Gesang, so etwa Marion Sauder und Romaine Leiggener, die ihren Auftritt auf dem Wegenerplatz als „Grooviges Bass Konzert“ verstanden haben wollten (Bild oben). Tanz, Kunst und Comedy waren weitere Elemente des Festivals. Wer Literatur suchte in Form von exquisiten Frauentexten, der freute sich auf die Spoken-Word-Künstlerin Ariane von Graffenried. Zweifellos eine mutige literarische Wahl, welche die Programmleiterin des Frauenstimmenfestivals, Eliane Amherd, getroffen hat (Bild unten).
Ariane von Graffenried lehrt am Institut für Theaterwissenschaften in Bern. Sie schreibt daneben auch Kolumnen, Prosa- und Theatertexte sowie Sachbücher. Sie tritt auf unter dem Künstlernamen Elsa Fitzgerald, häufig zusammen mit ihrem Partner Robert Aeberhard alias Ribi Rimini. So nennt sich denn das Duo „Fitgerald & Rimini“. Als Spezialität produziert und performt das Duo sogenannte „Spoken Word Texte“. Das sind Texte, die sich zunächst am mündlichen Erzählen orientieren. Konkret handelt es sich um Sprechtexte für die Bühne, Texte fürs Radio, dramatische Literatur, orale Erzählungen oder auch um Lautgedichte. Diese orale Literatur knüpft an eine Traditionslinie an. Sie reicht von den Dadaisten über die Kabarettkunst der Zwischenkriegszeit bis zur Konkreten Poesie und zu den Schweizer Modern-Mundart-Autoren.
Als Spoken-Word-Künstlerin bewegt sich Ariane von Graffenried an der Schnittstelle von Literatur, Musik und Performance. Wie hören sich ihre Spoken-Word-Texte an? Für das Frauenstimmenfestival hatte sich Ariane von Graffenried die „Grand Tour“ vorgenommen. Darunter versteht sie gesammelte Klänge und Worte aus ganz Europa. Mit ihren Texten möchte sie eine Hommage an ein grenzenloses Europa kreieren. Nachfolgend einige Ausschnitte aus ihrer „Grand Tour“ durch Europa, beginnend in Rimini und endend in Grauholz. Die nachfolgenden Textausschnitte stammen aus dem Buch von Ariane von Graffenried mit dem Titel „Babylon Park“ aus der edition spoken script.
Rimini. Vom Meer här zieht’s. E Heli transportiert e Madonna, früsch reschtouriert. Der Himmel isch graublau, u drin hanget d Jungfrou am ene Seili üs Stau. (…) Brüssel. I sitze im ene Japaner / dans la Rue Américaine z Brüssu / shared plate concept between expats / quand une Espagnole me raconte en anglais / que quelques jeunes Espagnols émigrés / meurent de froid dans les rues norvégiennes (…)Monaco. Maude logiert seit einigen Tagen im Hôtel de Paris, Diamond Suite Winston Churchill, und fühlt sich ein bisschen wie Grace Mugabe. (…) Istanbul. Wär Platz het, steit a dr Reling. Eine isst es Brötli, drin e Fisch. E Chrischt stieret uf ds Wasser un e Derwisch i d Gischt. (…) Saint-Jacques-de-Compostelle. Regen bricht durch Luft, und Laternenlicht sticht durch die Spalte eines Vorhangs. Eine Frau erhebt sich aus galicischen Laken. Eine Kakerlake klettert in einen Latexhandschuh. Ein Mann in Funktionswäsche fragt: „Woran denkst du?“ (…)
Das Künstler-Duo Fitzgerald & Rimini hat Städte und Regionen in Europa besucht. Dabei hat das Duo Eindrücke, Klänge und Worte gesammelt. Ariane von Graffenried alias Fitzgerald hat daraus mehrsprachige, poetische Texte konstruiert. Die Figuren, die in ihren Texten vorkommen, sind Eurokratinnen, Prostituierte oder Hooligans. Die Figuren haben ein bewegtes Leben hinter sich, beispielsweise Finanzkrisen, Jet Set oder Migration.
Babylon Park. So heisst der Band mit gesprochenen Texten von Ariane von Graffenried. Darin entfacht sie ein polyphones Sprachfeuer. Die Erzählerin setzt sich neben den untröstlichen Mr. Perfect und spricht ihm aufmunternd zu: „disparate sounds tüe niemerem weh“. Ariane von Graffenried zeigt in ihren Texten, wie sich mit Worten und Klängen spielen lässt. Lustvoll baut sie Dialekt, Hochsprache, Schulfranzösisch und Englisch in ihre Texte ein. Kunterbunt und doch originell.
Text und Fotos: Kurt Schnidrig