Stimmungsvolle Schreibstunden bescherte uns die Mediathek Brig mit Organisatorin Daniela Furrer. Unter der Leitung der Journalistin Regula Tanner brachten die Schreibenden viel Besinnliches und auch Heiteres rund um die Weihnachtszeit zu Papier. Die Schreibwerkstatt war ausgebucht, und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schufen in kurzer Zeit grandiose Texte, Gedichte, Geschichten und Akrostichons von beachtlichem Niveau. Innerhalb des Schreibteams entstand schon sehr bald eine wunderbar kollegiale Atmosphäre, die es erlaubte, teils auch sehr persönliche Geschichten und Essays in der Runde vorzutragen.
Einfühlsame Anleitungen. Einen wesentlichen Anteil an der äusserst gelungenen Schreibwerkstatt kommt der Journalistin Regula Tanner zu, die es verstand, uns Schreibende auf unseren sehr unterschiedlichen Schreibniveaus abzuholen und zu einer erstaunlich kreativen, vielseitigen und phantasivollen Textproduktion zu animieren. Dabei konnte die Kursleiterin aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Mit phantasievollen Schreibanlässen weckte sie die Kreativität der Schreibwilligen und liess sie abheben zu erstaunlichen Höhenflügen. Seit 1993 ist Regula Tanner als freie Journalistin tätig, u.a. für Der Bund, NZZ, VIA, Die Zeit, Schweizer Familie und Brigitte Schweiz. Sie erhielt den BZ-Preis für Lokaljournalismus. Bei diversen Buchprojekten hat sie mitgewirkt. Seit 2013 ist sie Redaktorin beim Magazin Natura (Tamedia). Als Leiterin von Schreibwerkstätten und mit ihren Buchtipps für Zeitschriften ist die gelernte Buchhändlerin auch bei literarischen Insidern gefragt. Regula Tanner lebt mit ihrer Familie in der Region Thun.
In der Weihnachts-Schreibwerkstatt. Ein neblig-kalter Dezembermorgen. Die Stimmung unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist erwartungsvoll. Jede und jeder ist in eigene Gedanken vertieft. Mit freiem Schreiben lockert Regula Tanner nicht nur die Hände zum Schreiben, sondern auch die inneren Schreibbarrieren. Das Gedicht „Advent“ von Mascha Kaléko liefert Stichworte, diese lösen Assoziationen aus, die wiederum zu neuen und diesmal eigenen Texten hinführen. Gespannt wartet man auf ein zustimmendes Nicken oder gar auf einen Ausruf der Verwunderung der Sitznachbarin, die meinen Text frisch ab Werkstatt lesen darf. Die aufmunternden oder gar erstaunten Rückmeldungen animieren und motivieren zu immer ausgedehnteren Exposées im eigenen Notizbuch. Erstaunt lese ich, was ich auf ein Stichwort meiner Sitznachbarin hin geschrieben habe: Kometen kreisen um Planeten, wissen nicht in welche Richtung, manchmal haben sie ’nen Schweif, wollen sich erkenntlich machen, wollen nicht verloren gehen. Und – hoppla! – jetzt spielt sie mit mir, meine Schreibnachbarin, sie steckt mir das Stichwort „stolpern“ zu. Bestimmt werde ich ihr jetzt nicht einen meiner „Stolpersteine“ offenbaren, denke ich. Das geht auch anders: Es tut gut, manchmal zu stolpern. Man verlässt den geraden Weg, fällt vielleicht hin, entdeckt dabei, was einem sonst entgangen wäre. Es gibt Stolpersteine, und es gibt erstolperte Entdeckungen, Wünsche, Sehnsüchte. Sehnsüchte? Meine Schreibnachbarin erinnert mich mit ihrem Antwort-Text daran, dass wir in einer Weihnachts-Schreibwerkstatt sitzen: Sehnsüchtig blickt das Kind hoch zur Spitze des riesigen Tannenbaums (…) und denkt an Weihnachten.
Ein Akrostichon ist ein Leistenvers. Man nehme ein weihnachtliches Wort und assoziiere zu den einzelnen Buchstaben eigene Gedanken. Und das geht so: STERN: Schau, dieser Glanz / Taucht die Stadt in ein Lichtermeer / Eine Freude ist das / Richtig weihnächtlich / Noch ein bisschen innehalten. Können wir das auch?, fragen wir uns. Nun also ein Selbstversuch zu WEIHNACHT: Wie es früher mal war / Ein Kindheitstraum in Lametta / Immerwährende Sehnsucht nach Geborgenheit. / Heimat, Helfen, biblisches Heilsgeschehen / Nur alleine feiern? / Andere einladen, Allelujah aus Lautsprecherboxen / Chaos vermeiden! / Helfen, einem Menschen, der friert. / Tafel decken, Freunde entdecken.
Bruno sprang vom Brett. Den braunen Grittibänz, den die Werkstattleiterin zur Anschauung eigens mitgebracht hat, kombinieren wir mit dem Buchbestseller „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ von Jonas Jonasson. Will heissen: Die Geschichte von Grittibänz Bruno, der vom Backbrett sprang und verschwand. Die Geschichte von Bruno, dem Grittibänz, ufert in meinem Notizbuch aus. Bei mir wird daraus die Geschichte von Bruno und Brunhilde. Etwas betreten bemerke ich erst beim Vorlesen der Geschichte von Bruno und Brunhilde, dass ich auch die Geschichte einer Sommerliebe erzählt habe. Aber alle in dieser Runde wissen: Der Erzähler ist nie der Autor. Nie. Zum Glück.
Betretenes Schweigen. Was können Texte auslösen? Die Werkstattleiterin möchte uns mit einem besinnlich-weihnachtlichen Titel wohl zu einer rührenden Weihnachtsstory animieren: „Ich, das Geschenk“. Doch da flüstert mir das Literaturkritiker-Teufelchen ins Ohr: Da hast du nun „ds Gschänk“! Das lässt sich durchaus auch ironisch interpretieren. Also nur zu! Und schon schreibt etwas oder jemand in mir: „Ich bin da drinnen. Drinnen im Geschenk. Öffne ruhig die grosse, grün-weisse Schachtel.“ – Nanu, eine zweite Schachtel. Ein bisserl kleiner, passt aber genau in die grosse, grün-weisse Schachtel. „Öffnen, hab ich gesagt!“ Nanu, eine dritte Schachtel. Ein bisserl kleiner, passt aber genau in die zweite Schachtel. „Öffnen hab‘ ich gesagt!“ Nanu, eine vierte Schachtel. Ein bisserl kleiner, passt aber genau in die dritte Schachtel. „Öffnen hab‘ ich gesagt!“ Nanu, eine fünfte Schachtel. Ein bisschen kleiner, passt aber genau in die vierte Schachtel. „Öffnen hab’ich gesagt!“ Nanu, eine sechste Schachtel. Ein bisschen kleiner, passt aber genau in die fünfte Schachtel. „Öffnen hab‘ ich gesagt!“ Nanu, eine siebte Schachtel. Ein bisschen kleiner, passt aber genau in die sechste Schachtel. „Öffnen hab‘ ich gesagt!“ …. „Wie lange wollt ihr euch diese Geschichte noch anhören?“, frage ich in die Runde. Betretenes Schweigen. „Da kommt nichts mehr!“, fordere ich meine Zuhörer heraus. Betretenes Schweigen. So geht das nicht, zu frustrierend, fährt es mir durch den Kopf. Diese Geschichte ist zu frustrierend. Also dann halt. Ein Schluss muss her. Und der geht so: Sieben Schachteln hast du geöffnet. Sieben ist eine heilige Zahl, eine Zauberzahl, eine märchenhafte Zahl. Sieben Wünsche hast du frei, der siebte geht in Erfüllung. Was sagst du jetzt? – „Frohe Weihnacht!“
Die Weihnachts-Schreibwerkstatt verlasse ich überglücklich. Alles war ganz wunderbar, zauberhaft und also ein echter Aufsteller: Die kompetente und motivierende Leiterin, die ideenreiche und hilfsbereite Organisatorin und die kreativen, mutigen, phantasievollen und so wunderbar überraschend produktiven Autorinnen und Autoren. Habt einen lieben Dank für die stimmungsvollen Schreibstunden!
Text und Foto: Kurt Schnidrig