Nachdem in den USA ein Afroamerikaner bei einem Polizeieinsatz gestorben ist, kommt es nun in zahlreichen US-Städten zu Ausschreitungen. Der überharte Polizeieinsatz gegen den Afroamerikaner George Floyd war auf Video festgehalten worden. Tausende demonstrieren jetzt gegen Polizeigewalt. In 40 Städten wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. CNN meldete am Pfingstsonntag, dass Präsident Donald Trump wegen der Proteste im Weissen Haus in einen Bunker gebracht worden sei. Die Afroamerikaner fordern seit Jahrzehnten ihre Rechte ein. Der afroamerikanische Schriftsteller James Baldwin (1924-1987) hatte jahrelang in Leukerbad gelebt und gearbeitet. Zeitlebens setzte er sich vehement ein für die Rechte der Afroamerikaner.
James Baldwin, ein „Leukerbadner“. Der wohl bedeutendste afroamerikanische Autor, James Baldwin, lebte und arbeitete in den Jahren 1951-1953 in Leukerbad. Dort schrieb er im Chalet seines damaligen Partners, dem Maler Lucien Happersberger. In Leukerbad arbeitete er an seinem ersten Roman „Go Tell It on the Mountain“. Die visuelle Künstlerin Sasha Huber hat mit Einverständnis des James Baldwin Estate in New York und des jetzigen Hausbesitzers in Leukerbad vor zwei Jahren das Porträt Baldwins direkt auf den Fensterläden des Chalets festgehalten. Sie tat dies mit einem sogenannten Druckluftklammergerät und einer besonderen Technik, welche die Künstlerin für sich entwickelt hat. Sasha Huber soll diese Technik immer dann anwenden, wenn das Thema der Arbeit etwas mit der Symbolik des Werkzeugs zu tun hat. Das Druckluftklammergerät dient ihr als Metapher für das Schiessen. Sasha Huber verbindet das Bild des Schiessens mit verschiedenen traumatischen Geschichten. Im Porträt von James Baldwin ist dies der Kampf im Rahmen des Civil Rights Movement, das James Baldwin mit seiner schriftstellerischen Arbeit unterstützt hatte.
„Der Fremde im Dorf“. Mit dem afroamerikanischen Autor ging man in Leukerbad respektvoll um. Trotzdem blieb er „Der Fremde im Dorf“, wie ein 1955 publizierter autobiographischer Essay titelte. James Baldwin hatte die in den USA gesellschaftlich tief verwurzelte Segregation (die zwangsweise Trennung von als Rassen definierten Menschengruppen), gegen welche er an der Seite Martin Luther Kings gekämpft hatte, nicht mehr ertragen und war nach Leukerbad geflüchtet. Im Rückgriff auf Baldwins Text haben sich der aus der Spoken-Word-Szene stammende Michael Stauffer und der aus Leuk gebürtige Rolf Hermann auf Spurensuche begeben, mit Baldwins einstigen Freunden gesprochen. Zusammen mit überlieferten „Originaltönen“ James Baldwins entstand im Jahr 2012 ein reizvolles Mosaik aus französischen und walliserdeutschen Materialien. Das Hörbuch erörtert die Frage des Fremdseins, stellt jedoch das Verbindende über das Trennende. (Rolf Hermann, Michael Stauffer: Wie ein Schaf in der Wüste. Als James Baldwin die Schweiz besuchte. 1 CD (54:25), SWR / Der Gesunde Menschenverstand 2012).
„Wisse, woher du gekommen bist. Wenn du weisst, woher du gekommen bist, gibt es überhaupt keine Beschränkungen mehr, dort hinzugehen, wohin du gehen kannst.“
James Baldwin
Ausgezeichnete James-Baldwin-Verfilmung. Im vergangenen Jahr hat Hollywood die Verfilmung des Romans „Beale Street Blues“ mit einem Oscar ausgezeichnet. Mittlerweile ist auch das Buch zum Film erschienen. Die Story handelt von einer jungen Liebe. Zwei dunkelhäutige Liebende müssen sich gegen die Willkür der weissen Justiz durchsetzen. Protagonistin ist eine 19-jährige Verkäuferin. Als sie erfährt, dass sie schwanger geworden ist, sitzt ihr Geliebter und der zukünftige Vater ihres Kindes unschuldig im Gefängnis. Dem jungen Paar bleibt nichts anderes übrig als gegen die weisse Justiz und für Gerechtigkeit zu kämpfen.
Ein Plädoyer gegen Rassismus. Buch und Film sind ein grossartiges Plädoyer gegen Rassismus. Schriftsteller James Baldwin hatte sich zeitlebens eingesetzt für die Rechte der Afroamerikaner. Den Durchbruch als Erfolgsautor schaffte er mit seinem Roman „Nicht von dieser Welt“. Dieser Roman zählt heute zu den hundert besten Romanen des 20. Jahrhunderts. James Baldwin postuliert in seinen Werken die unbedingte Gleichberechtigung für alle Menschen dieser Welt, egal, welche Hautfarbe sie auch immer haben. Er verstand es grossartig und unnachahmlich, die Gefühlswelt seiner Protagonisten bis in den hintersten Winkel auszuleuchten.
„Die Schwarzen in diesem Land lehrt man, sich selbst von dem Augenblick an zu verachten, wo sie das Licht der Welt erblickten.“
James Baldwin
Schreiben als politisches Engagement. Den Hintergrund für Baldwins Schreiben gibt die grosse Weltwirtschaftskrise in New York ab. In dieser Zeit hatte Baldwins Familie all ihr Hab und Gut verloren. James Baldwins Mutter verdiente in den Häusern der Weissen das Allernötigste, um die Familie am Leben zu erhalten. James Baldwin war damals ein kleiner Junge, der kaum eine Chance auf ein anständiges Leben bekam. Die hoffnungslose Kindheit hatte ihn geprägt und ihn später zum Schriftsteller werden lassen.
„Der Hass, der so vieles zerstören konnte, hat es bisher immer geschafft, den Hassenden zu zerstören.“
James Baldwin
James Baldwin – aktueller denn je. Bräuchte es noch irgendeinen Beweis, dass Schreiben eine Form politischen Engagements ist, Baldwin liefert ihn auch heute noch. Die aktuelle Verfilmung eines Baldwin-Romans war im vergangenen Jahr in Los Angeles mit einem Oscar ausgezeichnet worden. Das Buch zum Film, das zumindest teilweise in Leukerbad entstanden ist, darf ich Ihnen, liebe Leser“innen, wärmstens empfehlen. Buch und Film können mithelfen, Baldwins Plädoyer gegen Rassismus weltweit zu verbreiten. Wie bitter nötig dies ist, davon künden die aktuellen Bilder von Kundgebungen für die Rechte der Afroamerikaner.
Text, Bild und Radiosendung: rro / Kurt Schnidrig