Im Bilderbuch „Ronni vom Rhonegletscher“ erzählt Cornelia Zahner die Geschichte vom Drachen Ronni. Ronni, so heisst ein Gletscherdrache, der im schmelzenden Rhonegletscher aus einem Ei geschlüpft ist. Vater und Mutter von Ronni sind bereits ausgewandert, die Gletscherschmelze hat sie ihrer Lebensgrundlage beraubt. Auf der Suche nach seiner Familie erlebt der Drache Ronni nun viele Abenteuer.
Wegen der klimabedingten Schmelze des Rhonegletschers sind die Gletscherdrachen ausgewandert. Ein Ei allerdings mussten sie zurücklassen. Eines Sommers schlüpft daraus ein kleiner Drache. Es ist Ronni, der nun ganz auf sich allein gestellt ist. Adler, Krähe, Siebenschläfer und andere hilfreiche Tiere bringen Ronni zu den letzten noch lebenden Drachen in unserem Land. Von ihnen erfährt Ronni, dass seine Familie vom Rhonegletscher weggezogen ist, hinauf in den Norden des ewigen Eises. Da beschliesst Ronni nach Norden aufzubrechen, immer auf den Spuren von seiner Familie.
Auf der Suche nach seiner Familie quer durch die Schweiz trifft der Drache Ronni auf seinen Kollegen Ferox am Thunersee, auf den Drachen Pontius auf dem Pilatus, auf Drachenfrau Clarona am Glärnisch und auf den hilfreichen Drachen Fauchi im Schloss Lenzburg, der dem kleinen Ronni den Weg weist zur Insel des ewigen Eises im hohen Norden.
Im Gespräch mit Autorin Cornelia Zahner erklärte mir diese, weshalb denn schweizweit die Drachen noch am Leben sind, während bei uns im Rhonegletscher das Drachensterben bereits eingesetzt hat. Die Drachen seien auch im Rhonegletscher nicht wirklich ausgestorben, sagt Cornelia Zahner, sie seien lediglich ausgewandert, weil der Rhonegletscher schmilzt und die Drachen deshalb ihren Lebensraum verlören. Aus diesem Grund würden die Drachen nach Norden flüchten, in einen anderen Gletscher im hohen Norden, der nicht so schnell schmilzt.
Ist Ronni ein Märchenheld? Gemäss der traditionellen Märchen-Struktur macht sich der kleine Drache Ronni auf den Weg der Erkenntnis und kann dabei auf die Dienste von Helfern zählen, wie etwa auf die Murmeltiere Crap und Welsch, auf den Widder Nando, auf den Adler Ari, auf die Elster Elaia, auf die Dohle Kura, auf den Silberreiher Branco oder auf den Siebenschläfer Liro. Ist „Ronni vom Rhonegletscher“ gemäss dieser Struktur also ein Märchen? „Ich hatte meine Geschichte nie als Märchen konzipiert, sondern eher als Vorlese-Geschichte“, erläutert Autorin Zahner. Als Held werde Ronni von seinen Drachen-Geschwistern einzig deshalb gefeiert, weil er die Reise zu seiner Familie in den hohen Norden mutig angetreten und zu einem erfolgreichen Ende geführt habe.
Das Bild vom schrecklichen Drachen – kann es mit Hilfe eines Buches korrigiert werden? Das Verhältnis der Menschen zu den Drachen in der Literatur ist allgemein kein gutes. Der Drache Fairo in Zahners Buch wurde gar von Menschen getötet. „Ich wollte eine andere Art von Drachen ins Spiel bringen, vor allem den lieben Drachen, weil ich ja den Kindern die Drachengeschichte als Gutenacht-Geschichte vorlesen möchte“, erklärt Cornelia Zahner.
Drachen und andere Monster – versetzen sie die Kinder in Angst? Sind derartige Horror-Gestalten der kindlichen Entwicklung vielleicht sogar abträglich? Nein, ganz im Gegenteil. Wenn ein Kind seine Ängste in Sicherheit und mit Hilfe eines Buchs ausleben kann, dann kann dies sogar hilfreich sein. Das Kind weiss, dass die Geschichte gut ausgeht. Das Gruseln in vertrauter Umgebung kann die Kinder lehren, mit ihren Ängsten umzugehen. Kinder können so in einem geschützten Rahmen lernen, mit Ängsten zurecht zu kommen und mit ihnen zu leben. Wir Erwachsene müssen den Kindern hilfreiche Strategien mitgeben, die ihnen zeigen, wie sich mit Ängsten umgehen lässt. Derartige Strategien lassen sich vermitteln zum Beispiel durch das Vorlesen von Bilderbüchern, die den erfolgreichen Umgang mit der Angst thematisieren.
Text, Bilder und Radiosendung: Kurt Schnidrig