Mobbing scheint ein kaum lösbares Problem in unseren Schulen zu sein. Befeuert wird Mobbing aktuell zusätzlich durch die zahlreichen digitalen Netzwerke. Die Literatur, insbesondere die Jugendliteratur, reagiert auf die schulischen Bedürfnisse und wartet mit Klassenlektüren auf, die das Thema Mobbing nicht nur thematisieren, sondern auch dazu einladen, darüber im Klassenverbund zu diskutieren und womöglich auch zu intervenieren.
Als ehemaliger Dozent für Kommunikation an der Fachhochschule Wallis in Siders führte der Schreibende regelmässig Teamseminare mit den Studierenden für Wirtschaftsinformatik und für Betriebsökonomie durch. Meine Teamseminare waren auch immer Übungen, um das Problem Mobbing erst gar nicht aufkommen zu lassen. Während wir alle in einer Seilschaft am Berg aufeinander angewiesen waren, fielen psychologische Barrieren in den Köpfen der Studierenden. Viele von ihnen blieben nach dem gemeinsam erlebten Team-Event ein Leben lang miteinander freundschaftlich und hilfsbereit verbunden. (Vgl. dazu Kurt Schnidrig: Teamseminar. In: Ein Leuchtturm in der Finsternis, Seiten 407ff.)
Aktuelle Jugendbücher vermitteln ebenfalls funktionierende Strategien gegen Mobbing, insbesondere in den Schulen. Andreas Brettschneider ist selber Lehrer, er kennt also den Schulalltag aus eigener Erfahrung. Nun hat er ein Buch geschrieben zum Thema Mobbing.
Das Buch trägt den Titel „Die Falle“. Eine Geschichte, die sich in jedem Klassenzimmer abspielen könnte: Der 16-jährige Victor besucht eine Klasse, in der Mobbing zur Tagesordnung gehört. In seiner Klasse gibt es dominante Jungs, die Bastian zu ihrem Anführer auserwählt haben. Die dominanten Jungs schikanieren die Schwächeren in der Klasse. Victor gehört zu den Schwächeren, er verhält sich aber still und zurückhaltend, um nicht auch gemobbt zu werden. Victor schaut einfach weg und tut so, als ob Mobbing in seiner Klasse gar nicht existieren würde.
Stillhalten und Wegschauen ist keine funktionierende Strategie gegen Mobbing. Dies wird im Jugendbuch „Die Falle“ deutlich thematisiert. Als nämlich ein neuer Schüler in die Klasse kommt, er heisst Martin, ändert sich die Situation schlagartig. Martin weigert sich wegzuschauen und den Kopf einzuziehen. Martin schmiedet einen raffinierten Plan, um das Mobbing in der Klasse zu stoppen. Victor findet Martins Haltung nachahmenswert. Victor wird nun ebenfalls aktiv und schliesst sich Martin an. Gemeinsam gehen die Beiden gegen die Mobbing-Bande vor.
Die Strategie verfängt: Plötzlich werden die, welche bis anhin die Schwächeren gemobbt haben, selber zu Opfern. Die Verhältnisse in der Schulklasse verkehren sich komplett ins Gegenteil. Die Mobbenden sind nun selbst die Gemobbten.
Das Buch „Die Falle“ ermutigt zu einer Diskussion in der Klasse: Wegschauen ist die falsche Strategie. Es braucht Zivilcourage. Und es geht um Fragen wie: Wo sind die Grenzen zwischen Macht, Freundschaft und Gruppendruck?
Ein weiteres aktuelles Problem in unseren Schulen sind Identitätskrisen. Was ist, wenn ein Kind nicht mehr weiss, ob es männlich ist oder weiblich oder etwas dazwischen? Mit einem Jugendbuch lässt sich thematisieren und diskutieren, ohne den konkreten Fall des betroffenen Kindes dabei ins Zentrum zu stellen. Empfehlenswert ist beispielsweise das Buch „Niemand so wie ich?“, verfasst von Rachel von Kooj.
Im Buch „Niemand so wie ich“ geht es um schwierige Fragen zum eigenen Geschlecht. Wie gehen wir mit einem Schüler oder mit einer Schülerin um, die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden kann? Wie kann man gleichzeitig immer beides sein, sie und er, männlich und weiblich?
Die Autorin Rachel von Kooj rollt gekonnt die Problematik auf. Sie tut dies in Form einer Geschichte. Sie sucht Antworten auf Fragen wie: Wie soll sich ein Kind für ein Geschlecht entscheiden, wenn sogar der Trainer im Sport nicht weiss, ob es, ob das Kind, im Mädchen-Team mitspielen darf oder doch lieber im Männer-Team?
Bezüglich der Themen „Mobbing“ und „Identitätskrise“ gibt es in den Schulen noch viel Unsicherheit und auch viel Unwissenheit. Die Jugendbücher „Die Falle“ und „Niemand so wie ich?“ bieten eine gute Grundlage für Klassenlektüren und Klassengespräche.
Literaturangaben:
- Andreas Brettschneider: Die Falle. Überreuter Verlag, Berlin 2024, 256 Seiten.
- Rachel von Kooj: Niemand so wie ich. Jungbrunnen Verlag, Wien 2024, 232 Seiten.
- Kurt Schnidrig: Teamseminar. In: Ein Leuchtturm in der Finsternis, 2020, Seiten 407ff.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig