Der Schweizer Buchpreis wird jährlich vom Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband SBVV und vom Verein Literatur Basel vergeben. Ausgezeichnet wird die beste Neuerscheinung. Dieses Jahr haben 48 Verlage insgesamt 84 Bücher für den Schweizer Buchpreis vorgeschlagen. Das Preisgeld für die Gewinnerin oder den Gewinner beträgt 30‘000 Franken, die Nominierten erhalten je 3000 Franken.
Am Sonntag, 17. November, zeichnet eine fünfköpfige Jury das ihrer Ansicht nach beste Schweizer Buch mit dem Schweizer Buchpreis aus. Zu diesem Zweck hat sie aus den vorgeschlagenen Titeln eine Shortlist erstellt, bestehend aus fünf Büchern. Welches dieser fünf Bücher den Schweizer Buchpreis erhält, ist ein streng gehütetes Geheimnis, das erst am Sonntag um 11 Uhr im Theater Basel gelüftet wird.
Die Jury, die sowohl Shortlist als auch die Gewinnerin oder den Gewinner eruiert, besteht aus Laurin Jäggi (Buchhändler, Inhaber Buchhandlung Librium, Baden), Michael Luisier (Literaturredaktor SRF, Jurysprecher), Timo Posselt (Redaktor „Die Zeit“), Isabelle Vonlanthen (stellvertretende Leiterin Literaturhaus Zürich) und Manuela Weber (freie Lektorin, Bibliotheksleiterin und Partnerin bei Friede Kulturberatung).
In den letzten fünf Jahren ging der Preis an Sibylle Berg, Anna Stern, Martina Clavadetscher, Kim de l’Horizon und Christian Haller.
Nachfolgend eine Kurzrezension der fünf Titel, die es auf die Shortlist geschafft haben, dazu eine persönliche Einschätzung der Erfolgsaussichten:
„Verschiebung im Gestein“
Die 42-jährige Mariann Bühler kommt aus der Innerschweiz und hat es mit ihrem Roman-Erstling subito auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises geschafft. Das kommt einer eigentlichen Überraschung gleich. Im Roman „Verschiebung im Gestein“ packt die Autorin drei Figuren in einen Roman, drei verschiedene Leben. Allesamt sind sie an einem Punkt in ihrem Leben angelangt, an dem sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Meine Prognose: Der Roman ist denn doch etwas zu einfach gestrickt, vieles ist voraussehbar, es fehlt ein Überraschungseffekt. Es gelingt wenig überzeugend, die drei Figuren miteinander in Verbindung treten zu lassen. Ein zwar gut durchdachter Roman, mit jedoch wohl nur geringen Chancen auf den Spitzenplatz.
„Seinetwegen“
Zora del Buono ist eine Zürcher Architektin und Schriftstellerin. Mit ihrem autobiographischen Roman „Seinetwegen“ hat sie es auf die Shortlist geschafft. Sie erzählt von ihrem Vater, der bei einem Autounfall ums Leben kam, die Erzählerin war dannzumal gerade mal acht Monate alt. Jahre später macht sich die Erzählerin auf die Suche nach dem Mann, der für den Unfall verantwortlich ist. Die literarische Recherche-Reise gerät damit zu einer vielschichtigen Biografie, die authentisch und elegant um die Themen Schuld, Verzeihen und Vergessen kreist. Meine Prognose: Der Roman „Seinetwegen“ hat recht gute Chancen auf die Top-Platzierung.
„Tabak und Schokolade“
Martin Ralph Dean hat seine Wurzeln in der Karibik, aufgewachsen ist er im Kanton Aargau. In seinem Roman „Tabak und Schokolade“ erzählt er die Geschichte eines nicht weissen Jungen, der in einem kleinen Schweizer Dorf aufwächst. Die Erzählung gründet auf den eigenen Erlebnissen des Autors. In dessen Familie kam es einem Tabu gleich, über die eigene fremdländische Herkunft zu sprechen. Der Familie soll es peinlich gewesen sein, während Jahren in der Karibik gelebt und daselbst ein Kind bekommen zu haben. Den Dorfbewohnern in der Schweiz soll der kleine nicht weisse Junge immer irgendwie suspekt und verdächtig gewesen sein. Der Autor hält Rückschau auf seine derart verlorenen Lebensjahre und auf die Suche nach den eigenen Wurzeln. Meine Prognose: „Tabak und Schokolade“ ist der heisse Favorit für den Schweizer Buchpreis.
„Polifon Pervers“
Dieser Roman von Béla Rothenbühler ist in Luzerner Mundart verfasst. Der Autor ist ein Luzerner Dramaturg, Autor und Musiker. Zum Inhalt: Zwei Studentinnen gründen einen Verein, der Theaterstücke produziert. Die Beiden schlittern in eine grandiose Erfolgswelle, dies nicht zuletzt auch dank mafiösen Kooperationen mit Hanfbauern. Meine Prognose: Ein witziger und unterhaltender Roman zwar, aber aufgrund seiner etwas weit hergeholten Thematik und regionalen Einfärbung mit zu wenig Potenzial für die Top-Platzierung.
„Favorita“
Die Zürcher Autorin Michelle Steinbeck legt ein vor allem feministisches Buch vor, das sich gegen das Patriarchat richtet. Die Romanhandlung dreht sich um politische Macht und um den Drang nach Widerstand. Es ist auch ein Buch gegen Gewalt und gegen Unterdrückung, insbesondere gegen Frauen. „Favorita“ spielt im politischen Pulverfass Italien, das unter der Kontrolle der Faschisten steht. Das Pamphlet gegen die gefährliche Verbindung von Frauenhass und Faschismus wirkt glaubwürdig. Meine Prognose: Die Autorin ist von prominenten Literaturkritiker:innen auch schon verrissen worden, durchaus denkbar, dass die Autorin auch aus diesem Grund die Sympathien der Jury erobern kann.
Welches dieser fünf Bücher wird die Jury als Gewinner ausrufen? Lesen Sie eine ausführliche Rezension des Sieger-Titels ab Sonntag, 17. November, an dieser Stelle.
Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig