
«Literatur-Hängert» vom 1. Dezember 2025: Mit weltweit über 4 Millionen verkauften Büchern ist er einer der aktuell erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren. Seine Romane sind in mehr als 35 Sprachen übersetzt. Jan-Philipp Sendker, geboren in Hamburg, war viele Jahre Amerika- und Asienkorrespondent des Stern. Nach einem weiteren Amerika-Aufenthalt kehrte er nach Deutschland zurück. Er lebt mit seiner Familie in Potsdam. Im «Literatur-Hängert» erklärt er unter anderem, weshalb Japan eine angesagte Reisedestination ist und weshalb Solo-Heiraten, sogenannte «Solo-Weddings», in Japan beliebt sind. In seinem neuen Roman «Akikos lange Reise» geht es um die Selbstfindung einer jungen Frau im auch heute noch konservativen und traditionellen Japan.
Kurt Schnidrig: Jan-Philipp Sendker, ich heisse Sie herzlich willkommen zum Literatur-Hängert auf Radio Rottu Oberwallis. „Akikos lange Reise“ – so heisst Ihr Beststeller. Gestatten Sie mir den Versuch, Ihr Buch auf den Punkt zu bringen: Irgendwie dreht sich in ihren Büchern alles letztlich um die Selbstfindung!
Jan-Philipp Sendker: Ja, ganz genau. Es geht um eine junge Frau, um eine junge Japanerin. Sie ist 29 Jahre alt. Sie hat eine Freundin, die sich selber geheiratet hat, „Solo-Wedding“ nennt sich das. Das ist ein Trend bei jungen Japanerinnen, die sich gerne als Braut sehen möchten, die aber nicht bereit sind zu heiraten. Japan ist ein sehr konservatives und traditionelles Land, die Ehe wird von vielen Frauen doch eher als ein Joch, als ein Gefängnis empfunden, besonders dann, wenn man zu Hause bleiben muss, wenn die Kinder kommen und so weiter. Vor allem mögen sie es nicht, wenn nur der Mann das Sagen hat. Das mögen junge Japanerinnen nicht mehr, aber sich möchten sich als Braut sehen. So ist denn die Protagonistin in meinem Buch auf die Idee gekommen, eine Solo-Wedding zu machen, sich selber zu heiraten also. Genau das möchte auch Akiko, und das erzählt sie einem Schulfreund, der davon noch nie etwas gehört hat. Der Schulfreund fragt sie: Du möchtest dich selber heiraten? Aber kennst du dich denn? Du kannst doch niemanden heiraten, den du nicht kennst! Magst du dich? Du kannst niemanden heiraten, den du nicht magst! Diese Fragen hat sich Akiko noch nie so gestellt und sie macht sich auf die Suche nach den Antworten.
Sie beschreiben eine „Solo-Wedding“, aber da zeigt sich in Ihrem Buch auch noch ein weiterer Handlungsstrang. Akiko, Ihre Hauptperson, macht sich auf die Suche Ihres eigenen Vaters. Wie verknüpfen Sie nun diese beiden Handlungsstränge?
Das gehört zusammen: Akiko fragt sich selbt: Wer bin ich eigentlich? Mag ich mich? Sie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Nun aber ist eine alleinerziehende Mutter ein grosser sozialer Makel in Japan. Der Vater hat die Familie verlassen kurz nach der Geburt, da wurde nie darüber gesprochen. Jetzt ist auch die Mutter gestorben, das heisst, Akiko hat niemanden, den sie fragen kann: Wer ist dieser Mann eigentlich? Wer ist mein Vater eigentlich? Warum hat er sich nie um mich gekümmert? Warum hat er mich verlassen? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen macht sich Akiko auf die Suche nach ihrem Vater. Sie tut dies auch um eine Antwort auf die Frage zu erhalten: Wer bin ich eigentlich?
Nun haben wir uns in diesem Jahr bereits verschiedentlich mit Büchern auseinandergesetzt, die sich mit Japan beschäftigen oder die Japan zumindest als Hintergrund haben. Ist Japan-Literatur gross im Kommen? Ist japanische Literatur ein neuer Trend?
Das ist ganz offensichtlich ein Trend. Als ich mit meinen Recherchen zur Trilogie, von der bisher erst zwei Bücher erschienen sind – „Akikos stilles Glück“ und „Akikos lange Reise“ – war das noch nicht so. Nun hat sich japanische Literatur und haben sich japanische Autoren zu einem Trend entwickelt. Japan ist eine Reisedestination, viele Menschen fahren zurzeit dorthin. Das Land war lange Zeit „unter dem Radar“, nun dürfen wir es als Reisende entdecken. Tatsächlich lässt sich in Japan eine faszinierende Kultur entdecken.
Jan-Philipp Sendker, Sie sind Bestseller-Autor. Wie gehen Sie mit den Rückmeldungen Ihrer Leserschaft um? Und welches Ihrer Bücher würden Sie selbst zum „besten Bestseller“ küren?
Die Rückmeldungen zu meinen beiden Japan-Büchern sind sehr positiv, weil ich da etwas sehr Wagemutiges tue. Ich erzähle die Geschichte aus der Sicht einer jungen Japanerin, einer 29-jährigen Frau. Ich erzähle also aus der Ich-Perspektive. Persönlich bin ich leider nicht 29, ich bin auch keine Frau und ich komme auch nicht aus Japan. Ich muss mich da also wirklich reindenken und reinfühlen. Das Feedback der Leserinnen und Leser, auch aus Japan, ist sehr positiv. Das meistverkaufte Buch von mir ist sicherlich „Das Herzenhören“, eine Liebesgeschichte, die in Burma spielt.
Herzlichen Dank, wir freuen uns sehr auf die Lektüre Ihres neusten Buches „Akikos lange Reise“.

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig