Haben Sie Ihre Memoiren bereits geschrieben? Wenn nicht, dann wird es nun höchste Zeit. Ein Blick auf die Memoiren und Biographien dieses Herbstes zeigt die breite Palette von Persönlichkeiten, die ihr Innerstes zwischen Buchdeckeln vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Das Spektrum reicht von grossen Literaten über Sportstars bis hin zur Pornodarstellerin. Von Theodor Fontane über Christine Lauterburg und Tina Turner bis zu Roger Federer und zu Stormy Daniels. Das literarische Niveau schwankt dabei zwischen Himmel und Hölle. Aber das literarische Niveau hat keinen Einfluss auf die Bedeutung dieser Memoiren und Biographien. Während die grossartige Biographie über Theodor Fontane wohl nur ein paar angefressene Literaten begeistert, könnte Stormy Daniels mit ihren Memoiren den mächtigsten Mann der Welt in Schwierigkeiten bringen.
Eine Literatur-Sensation ist die fantastische Biographie über Theodor Fontane. Die Zürcher Germanistin Regina Dieterle hat mit grossartiger Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds eine schlichtweg begeisternde Biographie zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane geschrieben. Das 19. Jahrhundert war das Zeitalter des grossen europäischen Romans. Lebensecht und anschaulich beschreibt und charakterisiert die Zürcher Germanistin einen der grössten Romanciers des vorigen Jahrhunderts. Dabei hat sie minutiös recherchiert und bisher Unbekanntes zu Tage gefördert. Effi Briest, Stechlin, Irrungen und Wirrungen – Fontanes Romane gehören auch in unseren Mittelschulen zur Pflichtlektüre. Regina Dieterle erzählt auf der Grundlage eigener Recherchen das Leben des Apothekers, Journalisten und Autors Theodor Fontane – und sie zeigt, wie all diese beruflichen Tätigkeitsfelder in seinen Romanen Eingang gefunden haben. Faszinierend!
Alles bleibt anders. Ich mag Paradiesvögel. Christine Lauterburg ist so ein Paradiesvogel. Sie ist eine musikalische Poetin oder eine poetische Musikerin. Sie hat eine ganz eigene Musik kreiert. Ihre Musik vereinigt Elemente der Volksmusik, aber auch von Folk, Pop und Techno und sogar des Chansons. Wer ein Paradiesvogel ist, der polarisiert. Unbestritten im ganzen Schweizerland ist jedoch das Talent, die Authentizität und die Originalität der Christine Lauterburg. In ihrer Biographie hat sie viel zu erzählen über ihre Begegnungen mit Schweizer Persönlichkeiten. Nicht weniger als 25 Personen, die ein Stück des Weges zusammen mit ihr gegangen sind, sind in diesem gut präsentierenden Buch porträtiert. Da hat es auch Literaten dabei wie Peter Bichsel oder Corin Curschellas, dann aber auch Politiker, die das Bild der Schweiz geprägt haben, wie etwa Adolf Ogi und Moritz Leuenberger. Es versteht sich von selbst, dass Christine Lauterburg in ihrer Biographie auch Interessantes aus ihrem Leben erzählt. Wir erfahren Spannendes über die wichtigsten Stationen ihrer Karriere, über ihre Erfolge, aber auch über Schicksalsschläge. Der Titel „Alles bleibt anders“ passt bestens zur vielseitigen Christine Lauterburg.
Meine Liebesgeschichte. So liebevoll betitelt Tina Turner ihr bisheriges Leben. Seit ihrer Einbürgerung ist sie der grösste Weltstar der Schweiz. Sie ist die Verkörperung des Rock’n Roll. Der Weg aus dem US-amerikanischen Tennesse an die Zürcher Goldküste war allerdings lang und steinig. Ihr Leben im Rampenlicht drohte verschiedentlich im Chaos zu enden. Dass die vor Energie strotzende Rocklady überhaupt noch lebt, das ist gemäss den Biographen „ein Wunder“. Um genau zu sein: Es ist dies ein Wunder der Liebe. Nach einem Schlaganfall und einer Darmkrebs-Diagnose spendete ihr Ehemann der Sängerin eine neue Niere – und schenkte ihr damit ein neues Leben. Tina Turner darf nächstes Jahr ihren 80. Geburtstag feiern.
Ist er wirklich so? Diese Frage haben die Biographen von Weltsportler Roger Federer als Buchtitel gewählt. Die neuste Federer-Biographie hat einer geschrieben, der es wissen muss. Der Zeitungsreporter Simon Graf ist Federer seit seinen Teenager-Tagen nachgereist. Ist Federer wirklich so nett? Ist er trotz seiner Triumphe tatsächlich so auf dem Boden geblieben? Jahr für Jahr wird er von seinen Konkurrenten zum fairsten Spieler gewählt. Aber auch Federers Vita ist nicht frei von Brüchen und Kämpfen. Das Bild des ballverliebten Strahlemanns trügt. Auch Federer war in jungen Jahren ein Hitzkopf, einer, der seinen Tennisschläger zertrümmerte. Und das Monster in ihm wurde grösser, je erfolgreicher er wurde. Doch wenn es eine Federer-Qualität gibt, dann ist es diese: Roger Federer kann sich immer wieder neu erfinden.
Volle Enthüllung. Wer seine Memoiren verkaufen möchte – und wer möchte das nicht – der muss zwischen Buchdeckeln einen gnadenlosen Seelen-Striptease bieten. In doppeltem Sinn trifft dies zu für die Memoiren der Pornodarstellerin Stormy Daniels. Sie erzählt die „Wahrheit“ über ihr angebliches Sexabenteuer mit dem US-Präsidenten Donald Trump. Nach eigenen Worten arbeitete sie seit einem Jahrzehnt an dem Buch, das im Übrigen auch ihre Karriere in Strip-Clubs und in der Pornobranche schildert. Damals, im Jahr 2006, war der Immobilienmogul und TV-Star Donald Trump bereits mit der heutigen First Lady Melania verheiratet. Stormy Daniels – oder bürgerlich Stephanie Clifford – schildert nicht nur den angeblichen Ehebruch Trumps, sondern auch die getätigte Schweigegeld-Zahlung seitens des Trump-Anwalts. Nun, man kann argumentieren, das sei doch keine nennenswerte Literatur. Nicht nur privat, sondern auch politisch könnte das Buch jedoch negative Auswirkungen für Trump haben. So betrachtet, könnte die „Vollständige Offenlegung“ (amerikanisch: „Full Disclosure“) grösste Auswirkungen auf die Weltpolitik haben. Dies vor allem im Fall eines „Impeachments“. Doch auch wenn sich Trump – wie vor ihm auch schon Clinton – aus der Affäre retten könnte, bliebe für die Trump-Kritiker immerhin noch dieses Bonmot übrig: Stormy Daniels erzählt in ihren Memoiren ausführlich und nachvollziehbar, wie sie Trump den Hintern versohlt habe…
Text und Foto: Kurt Schnidrig.